Das Unikat

Location: Kigali
Wetter: sonnig und warm
Zeitunterschied: keiner

Wenn es auf unserer Reise durch Afrika wieder mal nicht so lief wie geplant, der Biss in die Tischkante kurz bevorstand oder wir nur noch resigniert den Kopf schütteln konnten, dann war die Zeit reif, um die drei ominösen Buschstaben „T – I – A“ * über die Lippen huschen zu lassen.

Wir liebten dieses diplomatische Ventil, charakterisiert es doch kurz und bündig einen Zustand, der so nur in Afrika anzutreffen ist. Einhergehend damit war es auch eine gute Möglichkeit, dem aufgestauten Ärger Luft zu machen. Und damit soll jetzt Schluss sein?

Wir befinden uns kurz vor der Grenze Ruandas, ein Land, das den meisten Menschen namentlich geläufig ist, auch wenn sie nicht wissen, wo es sich genau befindet. Da war doch was, werden die Meisten denken, die man mit Ruanda konfrontiert. Ja genau, da war etwas und wie alles Negative, Grausame und Unvorstellbare was in der Vergangenheit in Afrika passierte, verwischte auch das Wissen über die Ereignisse in Ruanda recht schnell. Das Land war Schauplatz eines unvorstellbaren Gemetzels bei dem eine Million Menschen ihr Leben ließen. Und der Rest der Welt, der schaute weg und reagierte erst, als es viel zu spät war. Seitdem hat sich aber viel getan in dem kleinen Land und man muss der Regierung bei all den noch bestehenden Problemen zugute halten, dass sie seit 20 Jahren ihr Bestes gibt, um einen gemeinsamen Weg der Versöhnung mit allen Beteiligten zu beschreiten. Wir können natürlich nicht in die Köpfe der Menschen schauen und sind daher auch nicht in der Lage, eine genaue Beurteilung über den inneren Zustand der Nation zu geben. Wer sich intensiver mit der Geschichte des Landes und den Ursachen des Bürgerkrieges beschäftigen möchte, der hat hier einen Einstieg, um mehr zu erfahren. klick hier: Völkermord in Ruanda

Unser ugandischer Taxifahrer schien erleichtert zu sein, als wir nach 25 Kilometer Schlammpiste endlich wieder festen Boden unter den Reifen hatten. Das für afrikanische Verhältnisse kleine Chaos auf ugandischer Seite wich mit jedem Schritt in Richtung Ruanda einer aus heimatlichen Gefilden gewohnten Ordnung. Vorbei die Zeiten von Traubenbildung am Schalter. In Ruanda herrscht Ordnung und man steht in einer Schlange ohne Schieben und Drängeln. Die nächste Überraschung erwartete uns im Bus. Nicht nur, dass die Preise aushingen und sogar unsere Rucksäcke aufgrund Übergepäck ein Ticket bekamen, nein, Unvorstellbares für Afrika – Es werden nur soviele Personen im Bus mitgenommen wie Sitzplätze vorhanden sind. Bevor die Reise allerdings losging, hieß es nochmals aussteigen und Taschenkontrolle. Im Wissen was uns erwartet, hatten wir schon soviel wie möglich dieser Behältnisse entsorgt und nur einen Notvorrat gut versteckt. Plastiktütenkontrolle stand auf dem Programm. Die grimmig dreinblicke Beamtin fand dann schließlich doch noch Eine. Wem mal das Duschbad im Rucksack ausgelaufen ist, wird wissen warum ich nicht auf diese Tüte verzichten wollte. Etwas dagegen unternehmen konnte ich natürlich nicht, verboten ist halt verboten. Ruanda setzt im Umkehrschluss voll auf kompostierbare Stoffbeutel sowie die braune Fettpapiertüte in allen Größen – der Umwelt zuliebe. Auf dem Weg in die Hauptstadt Kigali konnten wir uns dann von den Erfolgen überzeugen – herumliegender Müll – Fehlanzeige.

Kigali – die Hauptstadt Ruandas und wirtschaftliches Zentrum zugleich, wirkt ein wenig wie eine in die hüglige Landschaft gesetzte Retortenstadt, die aber aufgrund ihres schön gestalteten Grüns wesentlich sympathischer rüberkommt, als so manches neumodische Pendant im asiatischen Raum. Die einzelnen auf Hügeln befindlichen Stadtteile werden durch ein Gewirr von schwarz-weiß gesäumten und akkurat bitumierten Lebensadern verbunden. Um bei Nacht den richtigen Weg zu finden, weisen in die Straße gelassene LED Streifen dem Fahrer die Richtung. Und es geht weiter. Wer z.B. die Straße am Zebrastreifen überqueren möchte, wird zum ersten Mal in Afrika erleben, dass man für ihn anhält. Auch die Nutzung eines Motorradtaxis ist zum ersten Mal gefahrlos möglich. Der Fahrstil ist defensiv und ein Helm für den Passagier wird gestellt. Der Besucher muss sich bei all der Ordnung, Akkuratesse und Organisation verwundert die Augen reiben und glauben, auf einem anderen Kontinent gelandet zu sein.

Dennoch sollte die moderne Fassade nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ruanda eines der ärmsten Länder dieser Welt ist. Selbst innerhalb des Landes besteht zwischen der strahlenden Hauptstadt Kigali und dem ländlichen Bereich ein signifikanter Wohlstandsunterschied. Dieser führt, wie auch in anderen Entwicklungsländern der Erde, zu einer Landflucht, die wiederum mit neuen Problemen in den Städten einhergeht. Es sei in diesem Zusammenhang nur die Verslumung der urbanen Bereiche genannt, welche aber in Ruanda zumindest augenscheinlich sehr organisiert und aufgeräumt daherkommen. Um abschließend die Thematik noch einmal zu verdeutlichen, sei mein Gespräch mit einem Verkäufer in einem Supermarkt in Kigali sinngemäß wiedergegeben: Der junge Mann mitte Zwanzig ist verheiratet und hat zwei Kinder, erzählte er mir, und verdiene bei 72 Wochenarbeitsstunden zw. 70-80 Euro im Monat. Er ist glücklich darüber überhaupt einen solchen Job gefunden zu haben, um seine Familie ernähren zu können. Nichtsdestotrotz lebt er noch mit seinen Eltern unter einem Dach, da er sich das ansonsten nicht leisten könnte.

Und, was haben wir noch so gemacht? Wir verbrachten einige gemütlich Tage in Kigali und campten in einem schönen Hostel außerhalb des Stadtzentrums. Wie immer trieben wir uns laufend in der Stadt herum und schauten uns einfach um. Nicht vergessen zu erwähnen, dürfen wir den Besuch in der Genozid Gedenkstätte, die alle Fakten des Völkermordes sowie viele bedrückende persönliche Schicksale nacherzählt.

Nachdem die Stadt erkundet war, gaben wir uns den opulent ausgelegten Außensitzbereich unseres Hostels hin und studierten wiedermal beiläufig das Treiben um uns herum. Einige Male wären uns dabei fast die drei Buchstaben wieder über die Lippen gekommen, aber das konnten wir nur wirklich nicht auf Afrika schieben.

Bis zum nächsten Mal eure zwei Weltenbummler

Angie & Thomas

* (red. Anm. T-I-A – „This is Africa“)

 

2 Gedanken zu „Das Unikat

  1. ich warte auf euch in graz ihr lieben 🙂
    vermiss euch ganz fest!
    küsschen aus der ferne!
    mwaaaah

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.