Kapstart

Location: Kgalagadi Transfrontier Park – Südafrika
Wetter: Tagsüber warm, nachts schön kalt
Zeitunterschied: keiner

Lisa Mufungu steht gelangweilt im „KFC“ des kleinen Städtchens Upington im Nordwesten von Südafrika. Sie ist heute für die Reinigung zuständig, sieht aber noch keine Notwendigkeit dafür, da sich bisher noch kein Gast in das Schnellrestaurant verirrt hat. Das morgendliche Leben in den Straßen rund um das Restaurant befindet sich noch im festen Griff der ausklingenden nächtlichen Kälte. Langsam brechen die Strahlen der aufgehenden Sonne in die Schattenwelten zwischen den Häuserblöcken ein und schneiden Gassen wohliger Wärme in die kalte Luft.

Als sich die Tür öffnet, wird Lisa aus ihrer Lethargie gerissen. Von draußen zieht ein kalter Luftstrom in das Restaurant und umschließt binnen Sekunden ihre Beine. Im Gegenlicht der Sonne nimmt ihr noch müder Blick zwei bepackte Wesen wahr, die sich durch den schmalen Spalt der Eingangstür quälen. Aus der zunächst unscharfen Silhouette schälen sich mit zunehmendem Kontrast zwei offensichtlich ausländische Reisende. Die Frau geht auf Lisa zu und hält ihr fragend ein Heft unter die Nase. Lisa, die im ersten Moment noch etwas zerstreut ist, lässt die Augen über den Einband wandern und liest… „Two on the run“ – on the road again!

Wir sind gerade erst eine halbe Tagesreise von Kapstadt entfernt, fühlen uns aber schon wieder als wären wir seit Monaten unterwegs. Jede neue Situation wird begierig von unserem Bewusstsein wie ein trockener Schwamm aufgesaugt. Gleichzeitig rückt das Leben der letzten zwei Jahre in Kapstadt Stück für Stück in den Hintergrund. Die täglich neuen Erlebnisse überstrahlen die Wehmut des Abschieds für unbestimmte Zeit. Erst zum Zeitpunkt des Innehaltens werden wir wieder bewusst in den schönen Erinnerungen vergangener Tage schwelgen können.

Unser Zeltnachbar im „Twee Rivieren Camp“ im „Kgalagadi Transfrontrier Park“ kroch stöhnend aus dem Dachzelt seines Land Rover und erzählte uns, dass in der Nacht sogar die Feuchtigkeit im Zelt gefroren sei. Wir reihten uns verbal in das Wehleiden ein und gaben uns als Weicheier der ganz besonderen Sorte zu erkennen, hatten wir doch gleich im Auto genächtigt, um Väterchen Frost ein wenig zu entkommen. Der Grund für die extrem kalten Temperaturen, selbst hier im Norden von Südafrika, war eine antarktische Kaltfront. Wie ich später in Namibia erfahren sollte, hatte es nächtlichen Frost bis hin zum „Etosha National Park“ gegeben, welcher ja bekanntlich kurz vor der angolanischen Grenze liegt. Wir machten das Beste daraus, zumal tagsüber die Temperaturen mehr als human waren.

Der „Kgalagadi Transfrontier Park“ reicht, wie der Name schon vermuten lässt, über Grenzen hinaus, die sich namentlich aus Südafrika und Botswana zusammensetzen. Anders als im „Krüger Park“ hat man hier das Gefühl, am Ende der Welt angekommen zu sein. Der Park selbst wird von Gras- und Buschland geprägt und bietet somit den passenden Lebensraum für die Raubtiere Afrikas. Ein Teil des Schutzgebietes ist mit Sandstraßen bzw. Sandwegen durchzogen. An diesen hangeln sich die Entdeckungslustigen mit Ihren Fahrzeugen durch den Park entlang und man glaubt es kaum, in der trockenen Winterzeit ist das sogar mit einem „normalen PKW“ möglich.

Mal schlingerte, mal rüttelte sich unser kleiner Hyundai über die Sandpisten in Richtung „Mata Mata Camp“, auf welchem wir die nächste Nacht verbringen wollten. Die Landschaft um uns bestach durch ihre stilvolle Schlichtheit im Wechsel zwischen hügligem und weitem Grasland, das mit mal mehr oder weniger Bäumen drapiert war. Die auf unserer heutigen Fahrt gesichteten Tiere beschränkten sich ausschließlich auf Rassen, die Kühe und Böcke ihr Eigen nennen. Noch!!!

Auf dem „Mata Mata“ Campingplatz, der sich direkt vor der namibianischen Grenze befindet, ermöglichten „harte Tatsachen“ eine interessante Reisebekanntschaft. Paul muss wohl meine hilflosen Blicke gesehen haben, als ich den Boden unseres Zeltplatzes testete. Steinhart, wäre die passendste Umschreibung gewesen. In Ermangelung eines eigenen Hammers bot sich Paul an, führte er doch in seinem LKW mit Wohnkabine alles mit, was man so im Busch gebrauchen kann. Das Schönste an der gesamten Begegnung war es aber Paul zuzuhören, wenn er die Geschichten erzählt, die das Leben bzw. das Reisen schreibt.

Irgendwann in der Nacht wurde ich aus dem Halbschlaf gerissen. Angie war im Bruchteil einer Sekunde aus ihrem Schlafsack gesprungen und hatte mich panisch angezischt – „Da ist ein Löwe vor dem Zelt“. Es ratterte in meinem Kopf, hatte ich doch den wirklich lauten Schrei der Raubkatze ebenso vernommen. Um nicht die Panik bei Angie zu steigern, blieb ich ruhig auf der Seite liegen und murmelte ihr zu – „Wenn du ihn sehen möchtest, musst du nach draußen gehen.“ Wie so oft im Leben führen unorthodoxe Ratschläge zu fragenden Gesichtern oder Humor, entspannen aber auf alle Fälle die Situation. „Hahaha, …aber da ist wirklich Einer. Hast du den Schrei nicht gehört?“ Man konnte den Schrei nicht wirklich überhört haben, hatte er doch sprichwörtlich unser Zelt zum Beben gebracht. Und so blieb mir nichts anderes, als Angie mit Fakten zu konfrontieren. Am Abend bevor wir schlafen gegangen waren, konnten wir vom Zaun unseres Zeltplatzes aus beobachten, dass zwei Löwen ein Kudu gerissen haben, welches den Sprung über den Grenzzaun nicht geschafft hatte. Die Distanz zu unserem Zelt betrug vielleicht 50 Meter. Wie wir am nächsten Morgen erfuhren, reiste in der Nacht noch ein Löwe an, der lautstark Anspruch auf den Kadaver erhob. Das war sicherlich keine nette Geste den beiden fleißigen Jäger gegenüber, aber wie heißt es im Tierreich so schön: „Der Stärkere setzt sich durch.“

Unser Bus stand schon zur Abfahrt nach Windhoek bereit, da hätten wir fast noch die Weiterreise gegen einen Krankenhausaufenthalt eingetauscht. Was war passiert? Die von uns gewählte Busgesellschaft stellte nicht den versprochenen „Schlafbus“ zur Verfügung. Dies veranlasste Angie zu einer Nachfrage. Im Sturmschritt begab sie sich vom Bus in das Büro von „Intercape“ zurück. Sie versicherte mir später „hoch und heilig“, dass die Glastür wirklich offen stand. Naja. Nach der Kollision erschien sie plötzlich hinter mir, mit einem „Cut“ auf der Nase und jeder Menge Blut im Gesicht. Oje. Da wir zum Glück ein umfangreiches Repertoire an Rettungsmittel vorhalten, konnten wir die Blutung recht schnell stoppen. Mit dicker Nase und Pflaster bestieg Angie dann den Bus. Ich konnte es mir im Anschluss nicht verkneifen, ihr noch diesen ausgeleierten Spruch auf die Nase zu binden – „Bis zur Hochzeit ist alles wieder gut“.

Ganz liebe Grüße von euren zwei Weltreisenden.

Bis zum nächsten Mal

Angie & Thomas

 

2 Gedanken zu „Kapstart

  1. Der Artikel ist super…. es macht Spaß euch auf dieser Reise zu „begleiten“. Und die Stories über Angie bringen mich zum Lachen. Vermisse euch und freu mich auf die nächste spannende Story.

    Ganz liebe Grüße
    von Christina und Eugene

  2. Liebe Angie,

    ich hoffe Dir geht es wieder besser und die Nase ist wieder so schön wie vorher (-;
    Einen guten Weg Euch beiden!
    Fühlt Eich umarmt.

    Alex und Jörg

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