Location: Banda Aceh
Wetter: warm, sonnig, wolkig mit angenehmen Nächten
Zeitunterschied: + 6 Std.
Nachdem wir fast eine Woche in Singapure verbracht und genossen hatten, wurde es nun Zeit die Weiterreise anzutreten. Unser Ziel hieß diesmal Sumatra, die nördlichste Insel der riesigen indonesischen Inselwelt.
Um diese zu erreichen, fuhren wir zunächst mit einem Bus bis zur nahegelegenen malaysischen Grenzstadt Johor Bahru. Dort erledigten wir alle Grenzformalitäten und stiegen am späten Abend in den Nachtzug nach Kuala Lumpur – die vielschichtige Hauptstadt Malaysias. Nach unserer Ankunft am Morgen suchten wir uns zunächst ein Hostel, welches wir in Chinatown fanden. Nachdem wir unser Dorm bezogen hatten, ging es sofort in die Stadt hinaus. Ein Mitbewohner hatte uns den Tipp gegeben, dass man am Central Market in Chinatown an kostenlosen Stadtführungen teilnehmen kann. Und so waren wir dabei. Eine nette malaysische Dame mittleren Alters führte uns im Anschluss um die Ecken von Chinatown, sodass wir einen tiefen Einblick in das Leben dieses Stadtbezirkes erhielten. Nach gut drei Stunden bekamen wir dann noch gratis eine Führung im malaysischen Telekomunikationsmuseum. Ich muss diese Führung einfach hier anführen, nicht weil sie so informativ, sondern weil sie so lustig war. Ein wirklich sehr netter Malaye führte uns hierbei im Museum herum. Das Schöne daran war einfach die Gestik und vor allem das wunderschöne asiatische Englisch welches er sprach. Ich kann es in Schriftform leider nicht nachahmen. Nebenbei – auch Olli Kahn hat unserem Führer schon die Hand geschüttelt – behauptete er zumindestens mit stolz geschwellter Brust. Lieber Olli… falls du unseren Blog lesen solltest, würden wir uns über eine Bestätigung freuen. Wir sind nochmals in K.L. und würden schöne Grüße ausrichten. Ich denke der Herr aus dem Museum würde sich über beide Ohren freuen. PS: Im Anhang ist auch ein Foto zu finden.
Nach unserer geführten Stadtbesichtigung liefen wir im Anschluss noch zu zweit weiter. Wir nahmen Kurs auf das moderne Zentrum von K.L. Besichtigten dort die Petronas Towers und gingen mal wieder ins Kino. Falls ihr, unsere Leser mal im Shoppingcenter unterhalb der Towers ins Kino gehen möchtet, dann könnt ihr das ruhig tun. Der Preis ist mit 2,50 € recht moderat. Bitte vergesst aber nicht eine dicke Jacke und Mütze – es ist saukalt im Kino und es wird auch nicht wärmer, wenn man sich beschwert. Mit einem ausgedehnten Spaziergang sowie einem köstlichen asiatischen Abendmahl endete unser Tag in Kuala Lumpur. Am nächsten Morgen ließen wir uns mit dem Bus zum gut 1,5 Std. entfernten Flughafen fahren. Dort bestiegen wir die Maschine nach Medan – die größte Stadt auf der Insel Sumatra.
Indonesien – ein ca. 13.000 Inseln umfassendes Archipel, das sich entlang des Äquators erstreckt. Die nördlichste Insel davon ist Sumatra. Die dort gut 50 Mio. lebenden Menschen erwirtschaften 60 % des Bruttoinlandsprodukts des 250 Mio. Menschen umfassenden indonesischen Vielvölkerstaates. Die dort vorwiegend lebenden Muslime haben aber nicht viel davon. Sumatra ist im Gegensatz zu z.B. Java oder Bali recht arm. Die Infrastruktur ist unterentwickelt und die Insel wird immer wieder von Naturkatastrophen heimgesucht. Nichtsdestotrotz ist Sumatra aber auch bekannt für seine einmalige Pflanzen- und Tierwelt, welche in noch recht großen Dschungelgebieten zu finden ist. Eine interessante Mischung wie wir dachten und daher Grund genug für uns, Sumatra einen Besuch abzustatten.
Unsere Maschine setzte recht hart auf der Piste in Medan auf. Für mich hieß es erstmal Durchatmen, denn bis zum nächsten Flug sind es ein paar Wochen hin. Die indonesischen Passagiere hingegen wirbelten wie eine aufgescheuchte Vogelscharr in der Kabine umher. Der Lärmpegel schwoll an. Hektisch wurden Tüten und Koffer durch die Kabine gereicht. Die Personen drängten zu den Ausgängen und man hatte den Eindruck jeder wollte als Erster draußen sein. Nachdem sich die Türen geöffnet hatten, saßen wir recht bald allein im Flieger. Auf dem Weg nach draußen klopfte ich dann nochmal beim Cockpit an die Tür, um mir beim Piloten die Flugmeilen für unsere Statistik zu holen. Alles kein Problem… ein Lächeln und ich hatte meine 223 Meilen. Im Flughafengebäude erhielten wir im Anschluss unser 25$ teures 30 Tage-Visum und dann war der Weg frei zu unseren Koffern….Haaallllllt..Was ist das für ein Stempel hier. Gemeint war der Fußabdruck von „One Foot Island“ in meinem Reisepass. „Original… todo Original“ war meine etwas verwirrende zweisprachige Antwort. Der Grenzer nickte zufrieden und ließ mich gewähren.
Das Gepäckband* in Medan ist recht kurz, sodass es sich nicht lohnt das Gepäck dort abzulegen. Stattdessen nehmen dies nette Herren in Empfang, die dann hoffnungsvoll auf den Eigentümer sowie ein lukratives Geschäft warten. So auch bei uns. Mit ihren lächelnden Gesichtern und dunkelgrauen T-Shirts, die mit wichtig aussehenden Applikationen und Nummer versehen waren, machten die drei Herren einen recht offiziellen Eindruck. So ließen wir sie denn auch gewähren. Einer der Drei schob den stolzen Fang nach draußen. Die anderen eskortierten ihn an den Längsseiten. Was lasen wir da – Hotel blablabla prangte da in gelben Lettern auf den Rücken der drei Männer. Es war Zeit einzuschreiten. Kurz und bestimmt wiesen wir sie daraufhin, dass hier die Reise zu Ende ist. Der Fahrer wechselte und ich schob den Wagen weiter. Etwas ‚betröppelt‘ standen die Drei dann da… aber so ist das halt. Wir kümmern uns selbst. * Anmerkung: Es gibt kein Gepäckband.
Vor dem Flughafen angekommen, wagten wir einen Blick nach Rechts und Links und sofort war uns klar: Wir sind wieder da wo wir hin wollten. Die Luft war heiß und stickig und enthielt den speziellen Duft eines Reiseabenteuers. Vor dem Flughafen wälzten sich zwei riesige Verkehrsströme entlang und trafen in einem Kreisverkehr an der westlichen Seite aufeinander. Dort verzahnten sich die einzelnen Vehikel miteinander, wurden wie in einer Mühle gedreht und verließen den Kreisel auf der gegenüberliegenden Seite wieder. Diesem Schauspiel nonverbaler Kommunikation schien das Wort Stillstand fremd zu sein – wo ein Wille da ein Weg, sei er auch noch so klein. Nach dem ersten Moment in Gedanken schwelgend wurden wir je aus der Ruhe gerissen. „Taxi…Medan“ schalte es nur von allen Seiten. „Och nööö nich schon wieda“ … dachte ich in meinem ostdeutschen Slang. Diesmal waren wir von vier Taxifahrern umringt die uns gern in die Stadt fahren würden. Wir wiesen sie erstmal ab und täuschten Geschäftigkeit vor. Angie las in ihrem Reiseführer und ich packte meinen Rucksack um, sodass wir Zeit gewannen. Udin, ein einheimischer Touristerführer, gesellte sich ebenfalls zu uns. Er sah uns an, dass wir etwas genervt waren… auch wenn sich unsere Mundwinkel beharrlich gen Himmel bogen. Mit leisen einfühlsamen Worten präsentierte Udin sein Anliegen. Eine zweitägige Tour durch den Dschungel bei Bukit Lawang…aha..reichhaltige Tierwelt…Orang Utans. Klingt nicht schlecht, dachten wir und der Preis schien uns auch recht gut zu sein. Aber Udin jetzt mal im Ernst: Wir buchen doch nicht zwischen Tür und Angel und schon gar nicht wenn diese am Flughafen ist. Mit einem Lächeln und ein paar netten Worten lehnten wir das Angebot dennoch ab. Aber Udin erwies uns trotzdem einen Bärendienst. Zunächst hatte er die Taxifahrer verscheucht und zweitens uns einen der Letzteren besorgt, der uns für den normalen Touristenpreis in die Stadt fuhr. Wir nahmen seine Visitenkarte an und verabschiedeten uns höflich mit dem Versprechen, uns zu melden. Zum Glück hatte ich die Finger hinter meinem Rücken gekreuzt und… Zick ist Zick.
Auf der Fahrt zum Hostel gewannen wir dann einen ersten Eindruck von Medan. Es schien mehr Autos und Mopeds als Menschen in dieser Stadt zu geben. Die Straßen waren von einer Blechlawine, welche sich in Richtung Stadtzentrum wälzte, völlig verstopft. Wie Querschläger aus einer Flinte huschten hunderte von Zweirädern zwischen den Autos hin und her – immer auf der Suche nach einer Lücke zum Überholen. An den roten Ampeln verdichtete sich der stehende Verkehr bis die letzte Lücke gefüllt war und eine Art Starre eintrat. Bei Grün schoss der Verkehr wie aus einer platzenden Wurst in die Kreuzung hinein und verteilte sich in alle Richtungen.
Wir kamen am Hostel an. Der hellblaue Anstrich des vierstöckigen Gebäudes war schon von Weitem sichtbar. Es lag eingerahmt von anderen baufällig wirkenden Gebäuden direkt an einer der großen Verkehrsadern Medans. Wir checkten bei der freundlichen Inhaberin ein und entschieden uns für ein Zimmer mit Klimaanlage. Bitte denkt jetzt nicht, dass wir im Luxus leben. So eine Klimaanlage kann man auch in die letzte Bruchbude hängen. Nein, wir wollten nur das „größere Zimmer“ haben, um unsere Rucksäcke abstellen zu können. Nachdem wir unser Gepäck in den zweiten Stock gebuckelt hatten, setzten wir uns erstmal in die Bar unseres Hostels zwecks Genusses eines kühlen Bierchens. Da waren wir also wieder in der Welt wo wir hin wollten – stellten wir übereinstimmend fest. Hier gibt es noch was zu entdecken und man muss nicht in ausgetretenen Pfaden entlang wandeln. Nach dem Bier entschieden wir uns noch, einen Spaziergang in das nahegelegene Kaufhaus zu machen. Auf den nicht vorhandenen bzw. zugebauten Bürgersteigen an unserer Straße bewegten wir uns nun vorwärts. Dabei musste man immer die Augen offen halten, denn der Weg war mit reichlich Stolpersteinen gespickt. Neben fehlenden Gullydeckeln, die einen ungehinderten Blick auf die stinkende Brühe in der Kanalisation zuließen, lag jede Menge Müll und Bauschutt umher, was ein sehr unansehnliches Bild bot. Im Stile von 3.000m Hindernisläufern bahnten wir uns den Weg zum Kaufhaus. Wie zum Ausgleich waren aber die Menschen auf der Straße, denen wir begegneten, um so freundlicher. Sie sahen uns beim Vorbeifahren nach, lachten uns an und freuten sich, uns zu sehen. Einer schrie Angie vom Moped sogar „I love you“ hinterher. Kann ich gut nachvollziehen. Auch im Kaufhaus wurden wir mit großem Interesse empfangen. Die Blicke der Gäste und Mitarbeiter folgten uns auf Schritt und Tritt. Das Kaufhaus wirkte allerdings etwas komisch auf uns. Wir fühlten uns ungefähr genauso als wir das erste DDR-Kaufhaus mit Westartikeln nach der Wende betreten hatten. Alles wirkte irgendwie deplatziert und wie gewollt und nicht gekonnt. Aber man war sehr nett zu uns, auch wenn wir uns aufgrund der fehlenden gleichen Sprache nicht verständigen konnte. Da waren wieder die beiden alt bekannten gefragt: Hände und Füße. Bemerkenswertes Detail aus der Drogerieabteilung: Wie in Deutschland auch üblich, werden auch hier teurere Kosmetikprodukte eingeschlossen. Unser Bild in der Fotogalerie zeigt ein Beispiel: Deoroller für 4.900 Rupien (0,40 Cent).
Für den nächsten Tag hatten wir unsere Weiterreise geplant. Die Reise sollte in das gut 85 km entfernte Bukit Lawang gehen. Am Morgen versorgten wir uns noch mit ein paar Backwaren für die Reise und dann ging es schon los. Die sechs Euro für das Taxi schienen uns für hiesige Verhältnisse zu viel. Daher entschieden wir uns für ein Becak – Moped mit Beiwagen für 1,5 asiatische Personen. Wir luden unser bestelltes Gefährt mit uns und vier Rucksäcken voll. Es war wirklich eng. Und die 10 km Strecke haben im Nachhinein auch im Rücken geschmerzt, aber es war ein super Erlebnis. Wir kamen uns wie auf einer Prozessionsfahrt vor. Überall wurde uns zugewunken und die Menschen freuten sich, zwei weiße Europäer zusammengefercht auf dem Becak zu sehen.
Und so verließen wir nach nur einem Tag „die smiling City“ Medan. Wie wir im Bus nach Bukit Lawang erfuhren, nennen die Einheimischen ihre Stadt so. Man sagte sie sei so schön, dass man automatisch lachen müsse. Die Ironie war auch für uns unverkennbar. Nach vierstündiger Fahrt mit dem Bus und einer zehnminütigen Reparaturpause erreichten wir Bukit Lawang. Der Ort liegt in einem Tal entlang des Flusses Sungai Bohorok und grenzt direkt an den Gunung Leuser Nationalpark. Der Park zeichnet sich dadurch aus, dass er einer der zwei letzten Rückzugsgebiete unserer nächsten Verwandten des Orang – Utan ist.
Schon im Bus trafen wir „zufällig“ einen Guide, der uns jede Menge über Bukit Lawang und die möglichen Dschungeltouren erzählte. Zum Dank für unseres Interesse führte er uns nach der Ankunft 30 min lang bis zu unserem Hostel und trug dabei Angie`s großen Rucksack. Wir bezogen dann im Garden Inn Guesthouse ein kleine Hütte am Berg. Die nächsten vier Tage ließen wir es uns folglich gut gehen. Unsere Hauptbeschäftigung war hauptsächlich das Lesen und interessante Unterhaltungen mit den Einheimischen. Wir waren dann auch sehr erstaunt, dort Menschen zu treffen die sehr vieles über Deutschland wussten und auch weltweit gesehen auf dem neusten Stand waren – und das mitten im Dschungel ohne Internet.
Am dritten Tag statteten wir dann der Fütterungstation für die Orang-Utans einen Besuch ab. Diese am Rande des Gunung Leuser Nationalparks befindliche Station hat sich schon vor Jahren zur Aufgabe gemacht, aus Gefangenschaft befreite Tiere bzw. Waisen wieder auszuwildern. Die bereits ausgewilderten Tiere erhalten an der Fütterungsstation nur eine schmale Kost aus Milch und Bananen, um den Hauptteil ihrer Nahrung selbständig im Dschungel suchen zu müssen. So finden sich einige Affen an der Fütterungsstation ein und können von den Besuchern beobachtet werden. Bei unserer 43-köpfigen Gruppe wusste man aber teilweise nicht auf welcher Seite die Affen saßen. Wir glaubten zumindest vor dem Besuch, dass man herumschreien und telefonieren vorher erledigen kann. Wir irrten gewaltig. Auch bei der Unterhaltung mit den Parkrangern wurden wir etwas enttäuscht. Dort erhielten wir nämlich die Information, dass alle Eintrittsgelder, die für den Besuch der Station eingenommen werden, nicht den Tieren zu gute kommen sondern nach Jakarta, zu der in Finanzfragen stets zuverlässigen Regierung, abgeführt werden müssen.
Ein schönes Erlebnis hatten wir aber trotzdem noch. Von der Bar unseres Restaurants sahen wir am Nachmittag nochmals einen Orang-Utan in freier Wildbahn, der auf der anderen Flussseite durch die Bäume hangelte. Zur Dschungeltour konnten wir uns in den vier Tagen nicht durchringen. Irgendwie fehlte uns der richtige Anreiz dafür. Aber was nicht ist kann ja noch werden. Und so traten wir am nächsten Tag die Weiterreise an. Mit dem Lokalbus ging es wieder bis kurz vor Medan zurück. Dort stiegen wir an einer belebten Straße aus, an der der Bus nach Banda Aceh abfahren sollte. Hier wurde es zum ersten Mal schwierig, denn niemand sprach Englisch. Mit Händen und Füßen vermittelten wir unser Anliegen und erhielten sogar eine Antwort. Diese gefiel uns aber nicht, da wir den Preis für die Fahrt für zu hoch hielten. Nachdem wir dem Verkäufer unseren Reiseführer unter die Nase hielten, bekamen wir zögern das Ticket mit dem richtigen Preis.
Ich möchte an dieser Stelle mal einen kurzen Kommentar zu diesem Thema dazwischen schieben. Die Preise für uns und für die einheimische Bevölkerung. Uns ist schon bewusst, dass ein paar Rupien mehr nicht die Welt in einem Eurobetrag sind, aber wir finden es nicht in Ordnung, wenn zum überhöhten Touristenpreis aus dem Reiseführer, ein weiterer Betrag oben drauf geschlagen wird. Es geht hier nur ums Prinzip. Ein Beispiel: Auf einer Insel ohne öffentliche Nahverkehrsmittel bezahlen Einheimische für den Transport von A nach B 5.000 Rupien. Der „faire“ Touristenpreis beträgt schon 20.000 Rupien. So. Nun kommen Fahrer und verlangen 50.000 Rupien und lassen nicht mit sich verhandeln. Soweit so gut.
Unser Bus kam und sah von außen für indonesische Verhältnisse recht gut aus. Wir stiegen ein und standen erstmal unter Beobachtung. Wir waren wie immer die einzigen weißen Ausländer. Der Weg nach Banda Aceh ist beschwerlich. Die recht gut gefüllte Landstraße ließ anfangs nur mäßiges Tempo zu und animierte den Fahrer dazu, nach deutschen Recht strafrechtlich relevante Überholmanöver durchzuführen. Wir sind in der Zwischenzeit abgehärtet und freuten uns, dass es rechts und links wenigstens nicht 500 m bergab ging. Nach gut drei Stunden Fahrt hatten wir uns dann unsere erste Pause verdient. Diese nutzten wir erstmal, um uns die Beine zu vertreten. Unsere moslimischen Mitfahrer wuschen sich die Füße und gingen im Anschluss beten. So ging jeder seiner Bestimmung nach. Bei unserer zweiten Pause zwei Stunden später hatten wir dann eine weitere lustige Situation. Nachdem wir in Unkenntnis der Sprache ein Essen gewählt hatten und dieses verputzt war, stand Angie neben unserem Bus und wartete auf die Weiterfahrt. Auf der Straße fuhr ein Auto entlang, bremste plötzlich ab und fuhr auf den Parkplatz neben unseren Bus. Eine sechsköpfige Familie stieg aus und baute sich vor Angie auf. Dann nahm der Vater seinen vielleicht sechsjährigen Sohn an die Hand und deutete mit dem Finger auf Angie. Die ganze Familie lachte und freute sich und ging im Anschluss essen. Wir vermuten, dass der Vater seinem kleinen Sohn mal eine blonde weiße Frau zeigen wollte. Dann ging die Fahrt weiter. Nach gut zwölf Stunden erreichten wir dann am frühen Morgen Banda Aceh. Der Weg führte uns im Anschluss direkt zum Hotel Medan in der Innenstadt. Dort schliefen wir uns erstmal von den Strapazen der Busfahrt aus. Am Mittag standen wir auf und machten uns in die Stadt auf. Es war auf den ersten Blick nichts mehr von den Folgen des Tsunamis zu sehen. Die Stadt wirkte im Vergleich zu Medan sehr sauber und aufgeräumt. Überall war geschäftiges Treiben zu beobachten und wüsste man es nicht besser, man hätte keinen Gedanken daran verschwendet, dass hier vor gut 6 Jahren alles zerstört war. Zunächst hatten wir aber andere Hürden zu überwinden. Wir wollten die Touristeninformation finden. Dafür mussten wir erstmal eine Straße überqueren, was sich aus mitteleuropäischer Sicht als nicht so große Herausforderung darstellt. Mit Bordsteinkanten in Kniehöhe und einem nicht abreißenden Verkehrsstrom aus beiden Richtung kann dies aber zur Geduldsprobe werden. Nein,… es gab keine Fußgängerampel – das wäre ja einfach gewesen. Wir schafften es, fragt aber nicht wie. Nun hieß es die Touristeninfo zu finden. Wir spürten, dass wir ganz in der Nähe waren, konnten aber keine Hinweisschilder oder ähnliches finden. Fragen wir doch mal die Einheimischen. Ok. Das war auch nichts. Da kommen wir ohne indonesisch nicht weiter. Schnell war das Wort für Touristeninformation im Reiseführer gefunden – Kantor Pariwisata. Nun ging es weiter. Bis wir allerdings jemanden gefunden hatten, der auch wusste wo das Büro war, verging noch einige Zeit. Dann war es soweit. Das Gebäude der Touristeninfo baute seine zwei Etagen vor uns auf. Ein netter Sicherheitsbeamter vor der Tür wies uns dann den Weg zum Sachbearbeiter für alle Touristenanfragen. Im Büro angekommen beschlich uns gleich der Verdacht, dass der letzte Besuch eines Touristen einige Zeit her sein muss. Oder war hier überhaupt schon mal jemand? Der Sachbearbeiter begrüßte uns nach kurzer Vorwarnung dennoch ganz freundlich, nachdem er seine persönlichen Dinge auf dem Rechner eilig geschlossen hatte. Wir stellten uns vor und überschütteten den netten Herrn mit den Fragen die man so im Touristenbüro stellt. Bevor er in brüchigem Englisch zu antworten begann, musste er aber erstmal tief Luft zu holen. Ja es gibt hier so einiges zu sehen… und schwups verschwand er hinter einem eingestaubten Haufen von Prospekten, welche wir im Anschluss vorgelegt bekamen. Naja, damit lässt sich doch was anfangen. Zumindest hatten wir jetzt mal einen Stadtplan, wo das Wichtigste drauf stand. Wir unterhielten uns im Anschluss noch höflich und füllten den Evaluationsbogen aus. Dann war uns der Touristenmanager noch behilflich ein Becak zu mieten, um die Sehenswürdigkeiten zu erreichen. Wir wollten doch keine Straßen mehr zu Fuß überqueren.
Unser Fahrer hieß Mustafa. Wie mein ehemaliger gleichnamiger Kollege hatte auch er tiefschwarze Haare und rauchte öfters mal eine. Mit unserem bebilderten Stadtplan war die Kommunikation mit Mustafa problemlos. Aufs Bild deuten, hinsetzen und los ging die Fahrt. Es war wirklich nicht mehr viel von den Folgen des Tsunamis zu sehen. Man konnte es teilweise an einigen unlogisch erscheinenden Baulücken erahnen. Daher sind in der Stadt einige Mahnmale erhalten geblieben, um die verherrenden Folgen der Springflut sicht- und greifbar zu machen. Dazu gehört auch das Fischerboot auf dem Haus sowie das riesige Elektrizitätsschiff, welches 4 km landeinwärts getrieben wurde und heute wie unwirklich in einem Wohngebiet steht. Neben dem Schiffsgenerator wurde eine Gedenkstätte eingerichtet dessen Fotosammlung nur etwas für abgehärtete Zeitgenossen ist. Die unzähligen Leichenbilder lassen einen nur erahnen was hier 2004 geschehen ist und welches Leid über die Bevölkerung hereingebrochen war. Gerne hätten wir uns auch mit den Menschen auf der Straße darüber unterhalten wie sie über die Ereignisse denken und was sie fühlen. Dies scheiterte aber bisher an der Sprachbarriere.
Am gleichen Tag statteten wir einer einheimischen Hilfsorganisation ebenfalls noch einen Besuch ab. Die Organisation FBA wurde nach der Tsunamikatastrophe gegründet, um einen nachhaltigen Beitrag für den Wiederaufbau zu leisten. In der Zeit seit der Gründung hat die FBA hunderten von einheimischen Kleinunternehmern einen neuen Start ermöglicht. Ebenfalls wurden Schulen und andere Bildungsinstitute aufgebaut sowie Projekte in der Gesundheitserziehung geschultert.
Wir versprachen uns von der FBA, Kontakte zu knüpfen, um für uns ein mögliches Hilfsprojekt zu finden. Unsere Gesprächspartner vor Ort signalisierten sofort Interesse und stellten den Kontakt zu den zuständigen Mitarbeitern her. So konnten wir einen Termin für ein persönliches Gespräch vereinbaren, um die Möglichkeiten für unsere Unterstützung ausloten zu können.
Nach einem Tag Banda Aceh brachen wir zu einem mehrtägigen Ausflug auf die 25 km vor der Küste befindliche Insel Pulau Weh auf. In einer zweistündigen Fährfahrt setzten wir dann auf das Eiland über. Die Insel begrüßte uns leider mit Starkregen. Die Taxifahrer mit überhöhten Preisen. Wir fanden aber doch noch einen Ehrlichen, der uns in den Ort Sabang fuhr. Dort angekommen war mir sofort klar – hier hätten wir nicht herkommen müssen. Mit dem Attribut trostlos hätten wir dem Ort zu neuem Glanz verholfen. Nichtdestotrotz mussten wir eine Unterkunft finden. Die erste fiel durch. Ich erspare mir den Kommentar dazu. Nur eins. In Indonesien ist es üblich keine Dusche zu haben sondern ein Wasserbecken mit einem Schöpfgefäß. Diese Einrichtung nennt man dann Mandi. Soweit kein Problem. In dieser Herberge wäre mir wahrscheinlich das Schöpfgefäß an der Hand angewachsen oder irgendetwas anderes im Raum. In der Nachbarschaft wurden wir dann fündig. Gutes Zimmer zum stolzen Preis. Die Unterkünfte sind hier aber allgemein teurer als im Rest des Landes. Wir machten uns frisch und liefen im Anschluss zum Marktplatz, um noch etwas zu essen. Nachdem diese Notwendigkeit erledigt war, genossen wir bei stürmischen äußeren Bedingungen die Nacht. Am nächsten Morgen hatte es sich immer noch nicht beruhigt. Trotz des Dauerregens machten wir uns auf die Socken und hatten es wieder mit netten Taxifahrer zu tun. Horrende Summen wurden uns für den Transport von Sabang nach Iboih genannt. Uns war es zwischenzeitlich egal. Durchnässt von oben bis unten lehnten wir die 175.000 Rupien ab. (Normalpreis 60.000 Rupien für 2 Personen)
Nach einer Stunde stand plötzlich ein netter Mann mit dem Auto vor uns und nahm uns für 60.000 mit. Was ein Glück. Nach gut 30 min erreichten wir den Iboih Beach. Warum der allerdings Beach genannt wird, erschließt sich mir bis heute nicht. Die Natur auf diesem Flecken der Insel war aber wirklich wunderschön. Von den steilen Ufern, an denen die Hütten der Gäste standen, konnte man in das türkisblaue Wasser blicken. Im kleinen Ort befand sich ein kurzer Sandstrand mit Bootsanleger. Über einen schmalen, rutschigen, gepflasterten Weg gelangte man zu den einzelnen am Hang liegenden einfachen Hütten. In einer kleinen Bar trafen wir dann gleich wieder einen alten Bekannten aus Bukit Lawang – Miko einen netten polnischen Traveller. Ich unterhielt mich dann im Anschluss gleich mal ausgiebig über die letzten Tage mit ihm. Angie suchte in der Zwischenzeit eine Bleibe für uns. Und sie wurde auch fündig. Wir bekamen eine schöne Hütte am Hang mit Blick auf die bezaubernde Bucht. Unsere Hütte war beim Einzug schon bewohnt, was wir jedoch erst zum Schluss bemerkten. Unser Mitbewohner, eine kleine süße Ratte, stellte sich uns aber erst am letzten Tag vor, sodass wir sie nur kurz zu Gesicht bekamen.
Auch wenn es sich wieder nach Meckerei anhört. Die von den Menschen erschaffene Welt am Ufer des Strandes machte hingegen einen eher trostlosen Eindruck auf uns. Neben jeder Menge Bauschutt und Müll sah alles irgendwie lieblos aus. Wir haben in den zwei Tagen nie das Gefühl bekommen, dort länger verweilen zu müssen. Nach zwei Tagen mit jeder Menge Regen traten wir dann auch die Rückreise nach Banda Aceh an. Wie es immer so ist wenn man schnell irgendwo hin möchte, kommt es meistens anders als gedacht. Nach der Ankunft im 25 km entfernten Fährhafen mussten wir mit Bestürzen feststellen, dass die heutige Nachmittagsfähre ausfällt und erst morgen früh wieder fährt. Na toll. Da wir auch keine Lust mehr hatten nach Iboih zurückzukehren, richteten wir uns gemeinsam mit Miko im Wartesaal des Fährhafens häuslich ein. Leider wurden wir am frühen Abend dort hinausgeschmissen, sodass wir uns eine neue Bleibe suchen mussten. Zum Glück durften wir dann auf die Fähre hinauf, nachdem Angie einen freundlichen Matrosen gefragt hatte. Dort machten wir es uns dann richtig gemütlich. Gemeinsam mit einem weiteren Reisenden, Beat aus der Schweiz, vertrieben wir uns am Abend die Zeit mit Kartenspielen. Nach einer kurzen Nacht auf dem Boot hieß es am Morgen kurz an Land, um Tickets für die Fähre zu kaufen. Um 8 Uhr ging es dann zurück nach Banda Aceh. Dort angekommen verabschiedeten wir uns erstmal von Beat und etwas später auch von Miko. Die Beiden reisten noch am gleichen Tag weiter. Wir checkten wieder im Hotel Medan ein und duschten uns erstmal die letzte Nacht vom Pelz.
Gleich nach unserer Ankunft nahmen wir erneut Kontakt zum FBA (Forum Bangun Aceh) auf. Über die Organisation wurden uns in der Zwischenzeit zwei Kontaktpersonen vermittelt, welche sich um die Schulen bzw. Waisenhäuser in und um Banda Aceh kümmern. Am heutigen Tag hatten wir nun die Möglichkeit, eine Schule in Banda Aceh zu besuchen. Dabei konnten wir gleich Nägel mit Köpfen machen. Ab morgen arbeiten wir als Lehrer an der Grundschule SDN 39…