Location: Vietnam
Wetter: heiß / sonnig
Zeitunterschied: + 5 Std.
Im Norden von Vietnam wurde uns gehörig die Laune vermiest. Zu viele negative Erlebnisse prägten das Bild. Zum Glück wendete sich das Blatt im Süden deutlich und bescherte uns sogleich die passende Headline für diesen Reisebericht.
Um eines vorweg zu nehmen, der nette Ticketverkäufer in Luang Prabang sollte Recht behalten – 27 Stunden dauert die Fahrt bis Hanoi. Trotz Schlafsitze und regelmäßiger Pausen ist irgendwann jede Fahrt zu lang, so auch diese nach Hanoi. Waren es in Laos noch die kurvigen Strecken durch die Berge, hielten uns in Vietnam ein Endlos-Schlagloch sowie hoffnungslos überfüllte Straßen auf. Die Freude über unsere Ankunft in Hanoi währte dann auch nicht lange, mussten wir doch am Busbahnhof nahtlos in einen Kleinbus umsteigen, um in die ca. 16 Kilometer entfernte Innenstadt zu gelangen. Unsere Fahrt führte entlang riesiger Ausfallstraßen, auf denen sich selbst am späten Abend ein nicht enden wollender Strom aus Zweirädern und Autos wälzte. Das siechend gelbe Licht der Straßenbeleuchtung ließ einen Blick auf die eingestaubte, potemkinsche Kulisse neosozialistischer Baukunst zu, welche sich zu beiden Seiten der Straße erstreckte. Beim Anblick der Fassaden legte sich ein depressiver Schleier auf unser Gemüt und Erinnerungen an die Außenbezirke von Lima wurden wieder wach. Umso näher wir dem Stadtkern kamen desto besser wurde es. Es sei aber angemerkt; auf ganz niedrigem Niveau. Der immer noch dichte Verkehr wurde von den breiten Hauptstraßen in immer kleiner werdende Nebenstraßen gedrückt ohne signifikant an Intensität zu verlieren. Wir näherten uns dem vorläufigen Ziel der Reise: Die Altstadt von Hanoi. Die nette Dame, welche uns und den anderen ausländischen Mitreisenden ein günstiges Taxi nach der Busreise zur Verfügung gestellt hatte, war an ihrem eigenen Hotel angekommen und pries dieses nun an. Wir bezahlten höflich unsere Taxirechnung und zogen von dannen, hatten wir doch eine andere Herberge im Auge. Unterkünfte in Hanoi suchen ist nämlich so eine Sache. Da kostet das Zimmer am Morgen schon mal doppelt so viel wie am Abend vereinbart oder es wurde zuvor ein Preis für ein ganz anderes Zimmer genannt als das was nun bewohnt wird. Wir waren also vorgewarnt. Es sei angemerkt, in unserem Hotel war diesbezüglich nichts festzustellen und die Damen an der Rezeption gaben sich alle Mühe unsere wenigen Wünsche zu befriedigen.
Am nächsten Morgen stürzten wir uns dann ins Getümmel von Hanoi. Es ist zwar interessant zu sehen, wie sich eine ehemalige Fahrradnation erhebt und den Weg in die Individualmotorisierung findet, wirklich Spaß macht es aber nicht am Straßenverkehr teilzunehmen. Jede Überquerung einer Straße kommt einem Himmelfahrtskommando gleich. Rücksichtnahme null. Das Motto lautet irrationaler Weise langsam über die Straße laufen, damit die Mopeds genug Zeit zum Ausweichen haben. Ein weiterer negativer Effekt tausender Mopeds sind die zugeparkten Gehwege, die alle Fußgänger dazu nötigen mehr oder weniger auf der Straße zu laufen. In Vietnam wird gefahren wie es beliebt. Vor allem die Mopedfahrer scheren sich um keine Vorschriften. Einbahnstraße entgegengesetzt, auf dem Bürgersteig bis zur nächsten Kreuzung, Rotlicht beachten…alles egal, Hauptsache es geht schnell vorwärts. Wir wussten also Bescheid und bewegten uns vorsichtig. Unsere Hauptaufgabe am ersten Tag bestand aber darin, eine Tour in die bekannte Ha Long Bucht zu buchen. Und da fängt das Problem schon an. Hunderte von Anbietern, welche einem alle das Blaue vom Himmel versprechen und deren Geschäftsgebaren zwischen Betrug und Abzocke einzuordnen ist. Übrigens ein Geschäftsmodell was Schule im Norden Vietnams gemacht hat. Nach einer halbtägigen Suche wurden wir fündig und buchten. Soweit so gut. Die noch ausstehenden 1 ½ Tage bis zum Tourbeginn vertrieben wir uns mit ein bisschen Shopping, Sightseeing, einem Besuch im Wasserpuppentheater und Eis essen. Man muss es schon so sagen, so richtig viel zu bieten hat Hanoi nicht. Daher empfand ich das Eis Essen bei „Fanny`s“ als Highlight. Die Stadt lebt eher vom Aktionismus des Aufbruches in eine neue Zeit, als von den üblichen „Sehenswürdigkeiten“. So nutzten wir auch die Gelegenheit und setzten uns am Abend in der Altstadt in einer der berühmten „Bia Hoi“-Kneipen auf Plastikstühle für Zwerge und genossen dort ein paar kühle Bier sowie das Verkehrsgetümmel im Kreuzungsbereich.
Am Tag vor der Tour kam dann die befürchtete E-Mail des Reiseveranstalters. Das von uns gebuchte Boot kann nicht eingesetzt werden, da es zum vietnamesischen TÜV muss. Unangemeldete Kontrolle. Es sei angemerkt, dass seit einem Bootsunfall verstärkt Kontrollen der Boote durchgeführt werden. Wir vermuten aber eher, dass der Veranstalter sein Boot nicht vollbekommen hat und nun alle Passagiere mit anderen Passagieren zusammen auf ein Ausweichboot gesteckt wurden, welches dann gut ausgelastet ist. Man muss fairerweise sagen, dass wir einen Teil unseres Geldes zurück bekamen und somit nicht zu viel für den anschließenden Spaß bezahlten. Die Tour startete. Wir wurden am Hotel von einem jungen Mann abgeholt, welcher sich als bald als unserer Reiseleiter für einen Tag herausstellen sollte. Mit seinen engen Jeans den cowboyähnlichen Stiefeln sowie dem Basecap wirkte er wie ein deplatziertes asiatisches James Dean Double auf einer Kaffeefahrt. Die flotten Sprüche und sein joviales Verhalten untermauerten diese Charakteristik noch. Die Fahrt zu unserem Ziel, der Ha Long Bucht, wurde nur durch den auf Pauschaltouren weltweit bekannten Stopp an einem Shoppingcenter, für alle Dinge die man nicht benötigt, unterbrochen.
Nach gut 3 Stunden erreichten wir den Hafen von Cat Ba, von wo aus die Ausflüge in die Ha Long Bucht starteten. Massenabfertigung und Beliebigkeit prägten nun das Bild. Nachdem sich unsere Reisegruppe gefunden hatte, wurden wir mit einem kleineren Beiboot zum eigentlichen Schiff gefahren. Dieses machte auf uns einen guten Eindruck. Bis auf kleinere Mängel schien alles in Ordnung zu sein. Nach dem Eintreffen auf dem Boot bezogen wir unsere Kabinen. Anschließend wurden wir zum Mittagessen gerufen. Eine eher lustlose Veranstaltung sowohl beim Essen als auch beim Personal. Ohne jemanden etwas Böses anhängen zu wollen aber eine Ausbildung als Kellner anstatt als Bauhelfer hätte unserer Crew nicht geschadet. Ich weiß nicht wie ihr das seht, aber wenn die Bedienung nach dem Lunch im Sichtbereich der Gäste hinter den Tresen schläft und erst nach zweimaligen lauten Zurufen aufwacht? Irgendwie hatten wir den Eindruck, dass wir für das Personal auf dem Schiff störender Ballast waren. Wie Eindringlinge kamen wir uns vor. Bloß niemanden nach etwas fragen. Zu guter Letzt bedienten wir uns bezüglich der Getränke selbst…wir wollten doch Niemanden stören. Bei der Bezahlung setzten wir natürlich den gleichen Maßstab an und hielten auch mal inne. Auch mit den Tischmanieren war es nicht weit hergebracht. Dass die Gläser mit den Händen immer am Trinkrand angefasst wurden…ok… sehen wir mal drüber hinweg, aber wenn der „Kellner“ meinen Löffel nimmt um die Essensreste der anderen Gäste von den Tellern zu kratzen und dann mir das gute Stück wieder hinlegt, empfanden wir etwas gewöhnungsbedürftig. Wir hatte etwas anderes auf einem 3- Sterne Schiff erwartet.
Nach dem Mittagessen nahmen wir Kurs auf die Hang Thien Cung Höhlen. Wir ankerten in einer Bucht um die Ecke und wurden mit dem Beiboot zum Anleger gefahren. Dort schlossen wir uns mit unserem Guide dem Strom der Touristen an und konnten uns die wirklich schönen Höhlen anschauen. Wer mal in den Feengrotten in Saalfeld war, weiß ungefähr wie es dort aussieht. Nach der Tour ging es zurück auf unser Schiff. Dort hätten wir dann die Möglichkeit gehabt mit einem Kajak ein wenig um die Felsen der Bucht zu schippern. Wir ließen die Gelegenheit aber verstreichen und begaben uns stattdessen mit den zwei deutschen Mädels, Angela und Nina, welche wir kennengelernt hatten, auf` s Deck und verzerrten dort einen guten Tropfen. Beim Abendessen setzte sich die Lustlosigkeit in allen Bereichen fort. Wir wurden satt. Der Rest bedarf keiner näheren Erwähnung.
Nach dem Abendessen genehmigten wir uns, gemeinsam mit unserer deutschen Bekanntschaft, noch ein paar Bierchen. Die Crew machte es sich neben uns gemütlich und ging ihren privaten Interessen nach.
Am nächsten Morgen ließen wir die Tour zu einem Aussichtspunkt auf einem Felsen ausfallen und nahmen stattdessen schon mal Platz am Frühstück Büfett. Die folgende Kost war schmal und das Toast eher etwas für Fische die Zwieback mögen. Im Unterschied zu den anderen Gästen hatten wir die Zweitagestour gebucht. Nun waren wir fehl am Platz und mussten den Tag über beschäftigt werden…auf einem anderen Boot, da unser derzeitiges Schiff zum Hafen zurück musste, um die neuen Eintagesgäste abzuholen. An der Backbordseite legte eine kleine Barke an und nahm uns auf. Schon beim ersten Anblick erkannte jeder, dass der Kahn eher in die Kategorie Wrack als Ausflugsschiff fällt. In der Annahme mit dem Boot nur bis zu einem versprochenen Strand gebracht zu werden bestiegen wir das Gefährt. In u-boottypischer Schleichfahrt setzten wir uns in Bewegung. Nach kurzer Zeit bemerkten wir, dass irgendetwas nicht stimmte. Auf Nachfragen hinsichtlich des Tagesablaufes konnte die Crew nicht antworten, da niemand Englisch sprach. Mit Händen und Füßen erklärte uns dann ein Matrose, dass man mit uns den ganzen Tag herumschippern solle bis das Ausflugsschiff wieder zurück sei. Aha. Einen ebenfalls an Bord befindlichen Spanier hatte das gleiche Schicksal getroffen. Völlig frustriert über den zweiten verhunzten Tag wuchsen Mordgelüste in ihm. Wir hatten wiedermal Glück im Unglück. Aus der Ferne sahen wir unser Boot in Richtung Hafen fahren und gaben Anweisung diesem zu folgen. Nachdem wir es erreicht hatten, wechselten wir die Schiffe und fuhren mit zum Hafen zurück. So konnten wir wenigstens den ganzen Tag auf dem Sonnendeck verbringen, während die neuen Gäste das gleiche Programm wie wir tags zuvor absolvierten. Mit der Ankunft der neuen Passagiere erreichte uns ebenfalls ein neuer Reiseführer der seinen Namen auch verdiente. Er gab zu allen Aktivitäten Erklärungen und machte der alten Crew mal ein wenig Beine. Am nächsten Morgen bestiegen wir dann noch den Aussichtspunkt und hatten einen herrlichen Blick über die Bucht während des Sonnenaufganges. Nach unserer Rückkehr auf das Boot drehten wir noch eine große Runde durch die Bucht bevor wir zum Hafen zurückkehrten. Unsere Tour schloss nach der Ankunft im Hafen mit dem Besuch in einem Restaurant, welches das gleiche Essen wie auf dem Boot reichte. Per Shuttlebus fuhren wir im Anschluss zurück nach Hanoi. Unser Fazit: Landschaftlich ist die Ha Long Bucht wirklich schön, wenngleich auch einige hausgemachte Umweltprobleme der Natur zu schaffen machen. Da es die örtliche „Tourismusindustrie“ hauptsächlich auf das Geld der Touristen abgesehen hat – ohne eine ansprechende Gegenleistung zu bieten – empfehlen wir: ein Tagesausflug ohne Übernachtung reicht aus, um sich alles anzuschauen was man gesehen haben muss.
Noch am gleichen Abend fuhren wir mit dem Zug in Richtung Süden weiter und machten in der ehemaligen Hauptstadt Vietnams Huè halt. Die Stadt am Parfümfluss ist vor allem durch seine Zitadelle mit der darin befindlichen „Verbotenen Stadt“ bekannt. Für die eine Nacht die wir in der Stadt verweilen wollten, wählten wir ein einfaches aber schönes Hostel in einer der schmalen Seitengassen der Hauptstraße entlang des Flusses. Vom Hostel aus startete unser Fußmarsch in die Stadt. Wir liefen entlang des Flusses, widerstanden dabei der Versuchung einem aufdringlichen Schlepper auf den Leim zu gehen und ein Drachenboot zu nutzen, und überquerten den Hung Giang (Parfümfluss) an der nächsten Brücke. In den Mauern der Zitadelle ging es dann etwas ruhiger zu als in der Stadt. Nach einiger Suche fanden wir auch den Eingang zum Palast. Da wir eh nicht so die „Pagoden Heinze“ sind beließen wir es dabei, die Verbotene Stadt auf eigene Faust zu entdecken anstatt mit Führer. Das große Areal mit seinen einst vielen Palästen wurde während des Vietnamkrieges schwer beschädigt. Der heutige Zustand der Anlage reiht sich zwischen Reste gucken, Wiederaufbau und Dornröschenschloss ein. Trotz des seit 1993 bestehenden UNESCO Weltkulturerbestatus sind bisher nur wenige Gebäude wieder hergerichtet worden. Ein Besuch lohnt trotz alledem und lässt einen Eindruck, in die Zeit als Vietnam noch einen Kaiser hatte, zu.
Nach dieser Stippvisite liefen wir wieder in Richtung unseres Hostels zurück. Auf dem Weg über eine Straße, wohlgemerkt wir hatten Grün, fuhren dann drei Mopeds zusammen, weil ich nicht stehen blieb und mir die Vorfahrt nehmen ließ. Pech gehabt…wir gingen weiter. Der anschließende Cafèbesuch scheiterte dann auch am Personal, da dieses keinen vietnamesischen Kaffee kochen konnte und den Unterschied zwischen Cola und Sprite trotz drei Anläufen nicht verstand. Egal. Am Abend trafen wir uns dann nochmal mit Angela und Nina in einem Restaurant und tauschten die Reiseerlebnisse der letzten Tage aus. So nahm der Tag wenigstens ein lustiges und gemütliches Ende. Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Zug weiter in Richtung Süden und überquerten dabei den Wolkenpass. Dieser ist nicht nur eine Wetterscheide, sondern trennt für uns auch gefühlt Nord- von Südvietnam. Dazu im Folgebericht aber mehr.
Viele Grüße von euren vier Reisenden
Evi, Hansi, Angie und Thomas