Location: Livingstonia / Malawi
Wetter: angenehm warm
Zeitunterschied: keiner
Es war vier Uhr morgens als der Wecker klingelte. Wir krochen aus unseren Schlafsäcken und spulten das gewohnte Programm aus Sachen packen und Zähne putzen ab. Eine Stunde später quälten wir uns mit Sack und Pack den Berg zur Schotterpiste hinauf die ins Tal führt.
Die gähnende Leere in der Magengegend war bereits spürbar, musste sich aber noch genauso wie wir in Geduld üben. Wir warteten und starrten gebannt den Weg zur gut 100 Meter entfernten Kurve bergauf. Nichts. Auch fast eine Stunde nach dem geplanten Abholtermin hatten wir noch nichts von „Magic Mike“ gesehen. Wir liefen los, wollten wir doch heute noch die Grenze nach Tansania überschreiten, um den Zug von „Mbeya“ nach „Dar-Es-Salaam“ zu erreichen. Bis ins Tal lagen gut zehn Kilometer steiniger Weg vor uns… ausgerechnet heute.
Ausgerechnet heute waren wir richtig pünktlich. Mit Schlag sieben Uhr marschierten wir auf dem Busbahnhof in Lilongwe ein. Einen Tag zuvor hatten wir uns noch durch das Gewusel gefragt und die Auskunft erhalten, dass es zwischen sieben und acht in Richtung Süden losgehen solle. Ein netter Verkäufer bot uns gleich mal ein paar Cola-Kisten zum Sitzen an. So entgingen wir zumindest dem gröbsten Staub, der hier mehr als reichlich vorhanden ist. Der „Warte-vor-mittag“ teilte sich dann in die Streckenabschnitte „Müsste gleich kommen“ und „Hat wohl etwas Verspätung“ ein. Zu guter Letzt bogen wir falsch ab und landeten in der Sackgasse namens „Totalausfall aufgrund Panne“. Der einsetzenden Schnappatmung folgte aber zum Glück zeitnah die Erkenntnis einer nahenden Lösung. Nach dem Ausfall des Platzhirsches nutzen die kleineren Anbieter die Gunst der Stunde aus und stellten eigene Busse für die Strecke bereit. Wir ergatterten einen Platz und gut vier Stunden nach Erreichen des Busplatzes ging die Reise auch schon los. Es muss dann irgendwo auf halber Strecke gewesen sein, als der gesamte Bus plötzlich aus der mittäglichen Lethargie gerissen wurde. Ein ohrenbetäubender Knall ließ Adrenalin in alle Adern schießen. Der bedauernswerte fünfzehnjährige Junge, der direkt über dem Doppelreifen der Hinterachse saß, erklärte noch im Schockzustand, den Tag postwendend zu seinem „zweiten Geburtstag“. Die Reifenreste wurden schnell entfernt und fortan schlichen wir mit geschmeidigen 30 km/h und einem Reifen weniger unserem Ziel entgegen. Ausgerechnet heute gab es kein Ersatzrad.
Am frühen Morgen setzte uns ein Mitarbeiter der „Bua River Lodge“ in „Nkhotakota“ an der Bushaltestelle ab. Der erste Minibus wartete bereits vor Ort und kaum fünf Minuten später begann auch schon unsere Weiterreise in Richtung Malawis Norden. Das geplante Tageswerk von überschaubaren 170 km entlang des „Lake Malawi“ genossen wir von der letzten Bank des Gefährts. Wie immer wurde die Fahrt durch eine nicht mehr verifizierbare Anzahl von Stopps unterbrochen, der eine Strecke von einem Meter bis höchstens drei Kilometer folgte. „Meter um Meter“ krochen wir unserem Ziel entgegen, was den Zeiger unserer Uhr nicht daran hinderte Riesensprünge zu vollführen. Es war dann irgendwo im Nirgendwo, wo auch sonst, als plötzlich die Luft raus war… hinten links. Wie immer in Afrika scharren sich bei solchen Ereignissen ruck zuck Menschenmengen um den Ort des Geschehens, auch wenn man zuvor meinte, inmitten einer menschenleeren „Wüste“ zu sein. Das stellt grundsätzlich kein Problem dar, da so zumindest genügend Helfer vorhanden sind. Die hätten wir wahrlich zur Genüge gehabt, nur zu helfen gab es nichts. Ausgerechnet heute gab es wiedermal kein Ersatzrad.
Schon bevor wir nach Malawi reisten, hatten wir bereits jede Menge Positives über das kleine Land im Herzen Afrika gehört, was natürlich immer eine gewisse Erwartungshaltung im Vorfeld schürt. Sehr menschlich ist es dann auch, diese Informationen mit den eigenen Erfahrungen zu vergleichen, um daraus das persönliche Resümee zu ziehen. Unsere Reise durch Malawi führte uns zunächst in die Hauptstadt Lilongwe und von dort aus an die südliche Spitze des „Lake Malawi“. Danach hangelten wir uns wieder in Richtung Norden, immer entlang des riesigen und wunderschönen Binnensees.
Wie ihr bereits unseren Ausführungen entnehmen konntet, stellte für uns der Transport einen nicht kalkulierbaren Faktor dar, da er mehr auf Glück und Improvisation basierte. Natürlich lassen sich daraus richtig nette Geschichten kreieren, die wir auch gern mal zum Besten geben. Aber auch der schönste „Problemdauerzustand“ ist irgendwann einer zu viel des Guten und trägt nicht mehr zur Reisebelustigung bei. Vielleicht hatten wir aber auch nur außerordentliches Pech.
Der Malawi See ist die Perle des Landes und nimmt einen Großteil des Territoriums ein. Das wunderschöne blaue Wasser gepaart mit der ihn umgebenden Landschaft ist eine Augenweide und stellte für uns sehr oft den perfekten Hintergrund für ein angenehmes Relaxen in der Einen oder anderen Lodge dar. In Punkto urbane Lebensbereiche reiht sich auch Malawi treu in den afrikanischen Einheitsbrei aus irgendetwas zwischen „nichts und gar nichts“ ein. Dessen Charakterisierung ist aus unserer Sicht mit „zweckdienlich und hässlich“ noch wohlwollend umschrieben.
Malawi wirbt damit „Das warme Herz in der Mitte Afrikas“ zu sein und meint namentlich damit die Freundlichkeit seiner Menschen. Wir denken, dass man anderen Völkern dieses Kontinents viel Unrecht antun würde, unterschriebe man dies. Wir konnten diesbezüglich keine positiven Ausschläge gegenüber anderen Ländern feststellen.
Augenscheinlich schlecht stellte sich hingegen für uns die Versorgungslage dar. Malawi ist natürlich ein armes Land, aber wir hätten schon auf den Märkten – vor allem auf dem Land – etwas mehr als nur Tomaten und Zwiebeln erwartet, zumal es das ganz Jahr warm ist. Es ist zwar etwas plakativ aber nach Bananen und Kartoffeln war dann wirklich meistens Schluss. Auch das allgemeine Preisniveau hat in den letzten drei Jahren stark angezogen und sich in vielen Bereichen nahezu verdreifacht. Wer zum Beispiel in Malawi tankt, bezahlt mehr als an einer deutschen Tankstelle für den Liter.
Wo sich der richtige „Wau-Effekt“ bezüglich eines Landes nicht einstellen will, ergeben sich meist andere Gelegenheiten, die dem Aufenthalt die nötige Würze geben – Begegnungen mit anderen Reisenden. Wir hatten Laura & Andy bereits für fünf Minuten in Botswana getroffen, als sie gerade ihren Trip ins Okavango Delta beendet hatten. Wir tauschten nur kurz drei Sätze aus bevor jeder wieder seines Weges ging. Gut einen Monat später erkannte uns Laura in Lilongwe im Hostel wieder. Richtig Fahrt nahm die Bekanntschaft aber erst knapp zwei Wochen später auf, nachdem wir unsere ersten Transportabenteuer überstanden hatten und sie uns mit ihrem Land Rover „SID“ zur „Mushroom Farm“ in Livingstonia mitnahmen. Ohne Probleme und schnell erreichten wir das gemeinsame Ziel und als wir gerade noch dachten, wir stünden essenstechnisch in der Wüste, öffnete Laura täglich ihre fahrbare Küche für uns. Die nächsten vier Tage wurden für uns eine kulinarische Reise der Extravaganz, die sich von Steak über Lasagne bis hin zu selbst gebackenen Brot mit Käse hinzog. Aber auch so genossen wir die Zeit mit den beiden Australiern bei interessanten Reiseanekdoten, sind sie doch nur zwei Tage vor uns in Kapstadt gestartet. Wiedersehen garantiert?
Wir liefen bereits gut 45 Minuten bergab als sich hinter uns ein Fahrzeug näherte und schließlich stoppte. „Magic Mike“ grinste uns an und entschuldigte sich für die Verspätung. Sein Auto habe einen Platten gehabt und er musste erstmal ein Ersatzrad besorgen… Ausgerechnet heute!
Liebe Grüße von euren Weltreisenden
Angie & Thomas