Location: Lhasa
Wetter: angenehm warm
Zeitunterschied: + 6 Std.
Es hätte nicht mehr viel gefehlt und wir wären an unseren Sitzen angewachsen. Nach 30 Stunden erreichten wir endlich Chengdu und schworen uns, dass wir uns solch eine Strapaze im Sitzabteil nie wieder antun werden.
Schon beim Betreten der Wartehalle in Peking war uns klar, was uns an diesem Tag erwarten wird. Bereits eine Stunde vor der Öffnung des Bahnsteigs standen hunderte Menschen vor den Toren und warteten auf Einlass. Der Sturm der Waggons, der nach der Öffnung der Tore einsetzte, erinnerte uns eher an eine Massenpanik als an das Besteigen eines Zuges. Wir fanden unsere Plätze und waren froh eine Sitzbank für uns allein zu haben. Der Wagon füllte sich und bei der Abfahrt war selbst der Gang mit fröhlich gelaunten Chinesen vollgestopft. Wie beschäftigt man sich nun die ganze Zeit auf solch einer Reise? Oberste Priorität hatte zunächst die Verteidigung des uns zustehenden Platzes. Wer die Chinesen kennt, der weiß, dass es um die Privatsphäre nicht gut bestellt ist. Und so rücken einem im Zug die Zeitgenossen mit den Stehplatztickets ganz schön auf die Pelle. Beugt man sich nach vorn, lümmelt recht schnell ein im Gang stehender Passagier so auf der Lehne, dass an ein Anlehnen nicht mehr zu denken ist. Gerne wandern auch die Füße der im Gang Sitzenden in den eigenen Fußraum, sodass zwischen den 4-er Bänken anstatt acht, zehn Beine wie Mikadostäbchen übereinander liegen.
Zu dem für Mitteleuropäer unüblichen Körperkontakt gesellt sich dann noch der recht gewöhnungsbedürftige Habitus einiger chinesischer Menschen vom Lande. Das ständige „Schleim aus dem Hals“ hochziehen mit der anschließenden Suche eines Ausspuckplatzes am Boden ließ auch bei uns mehrfach das Messer in der Tasche aufgehen. Ähnlich verhielt es sich mit dem bei Reisen anfallenden Müll. Wir haben nichts dagegen den Müll auf dem Boden zu sammeln, wohl gemerkt halbwegs geordnet, aber wenn genügend Abfalleimer im Abteil, welche aber nicht genutzt werden, verlieren auch wir das Verständnis. Zur Lösung des Problems kam uns wieder eine Charaktereigenschaft der Chinesen zugute. Niemand möchte in der Öffentlichkeit sein Gesicht verlieren, schon gar nicht gegenüber einem „ Ausländer“. Also meckerten wir in typisch deutscher Manier, was aber Wirkung zeigte. Mit gutem Vorbild voran zeigten wir im Anschluss unseren Mitreisenden wie man am besten den Papierkorb findet.
Ansonsten gab es nicht viel zu tun. Die regelmäßige Essensaufnahme unterbrach den Sekundenschlaf oder den starren Blick aus dem Fenster. Einmal gab es noch große Aufregung im Zug. Gut 10 Stunden vor unserer Ankunft stoppte unser Zug in einem Bahnhof. Schnell verbreitete sich die Nachricht, dass die vor uns liegende Strecke verschüttet sei. Eine Reihe von Fahrgästen stieg aus dem Zug aus und suchte sich einen Bus nach Chengdu. Zum Glück erwies sich nach einer Weile alles nur als Ente und wir konnten die Fahrt fortsetzen. Nach 30 Stunden Fahrtzeit erreichten wir dann glücklich Chengdu. Unser Hostel fanden wir recht schnell. Bevor es aber ins Bettchen ging, genehmigten wir uns noch einen eiskalten Hopfentee. Prost.
In Chengdu legten wir zunächst unser Augenmerk auf das Buchen unserer Tibettour. Da Individuellreisen auf das Dach der Welt nicht mehr erwünscht sind, mussten wir notgedrungen eine Agentur zur Planung des Aufenthaltes einschalten. Neben der Beantragung der Einreiseerlaubnis werden sämtliche Ausflüge und Besichtigungen vorgeplant. Ebenfalls bekommt man einen Guide zur Seite gestellt, der einen zumindest außerhalb der Städte immer begleiten muss. Für die Fortbewegung außerorts ist ebenfalls die Anmietung eines Fahrzeuges notwendig. Summa summarum schlägt die Reise dann mächtig auf den Geldbeutel. Aber was tut man nicht alles für die Erfüllung eines Traumes…
Neben der ganzen Organisation wollten wir auch noch etwas rund um Chengdu unternehmen. Leider fiel unsere Planung diesbezüglich in den gleichen Zeitraum wie die chinesischen Ferien um den Nationalfeiertag. Das bedeutet in China – alles ist ausgebucht und man kann sich vor Menschen kaum retten. Da die Aussichten alles andere als rosig waren, beschlossen wir ein paar Tage sesshaft zu werden. Da unser Hostel jeglichen Komfort bot, den wir uns nur wünschen konnten, stellte dies kein wirkliches Problem dar.
Ganz faul waren wir aber auch nicht. Zumindest besuchten wir alles in und um die Stadt herum. Ganz oben auf der Liste stand dabei der Besuch bei den Pandabären. Chengdu gilt als Panda-Hauptstadt der Welt und räumt daher dem chinesischen Nationalsymbol einen gebührenden Platz ein. Ein Besuch der etwas außerhalb der Stadt gelegenen Aufzuchtstation gehörte daher zum Pflichtprogramm. Um die Bären wenigstens aktiv sehen zu können, bietet sich der frühe Morgen an. In dieser Zeit werden die Bären gefüttert. Wir genossen dieses Schauspiel und konnten jede Menge Bären beim Verputzen ihres Frühstücks beobachten. Im Areal leben ebenfalls die im Schatten der Großen Pandas stehenden Roten Pandas. Schaut euch am besten einfach die Fotos von den beiden Kuschelbären an.
Neben dem Besuch einiger alter traditioneller Viertel, welche nett anzusehen waren, aber in fast jeder chinesischen Stadt zu finden sind, statteten wir auch der örtlichen „China Post“ einen Besuch ab. Ihr fragt euch jetzt natürlich, was so besonders an einem Postbesuch sein könnte. So hört unsere Erlebnisse zum Thema: „Der Versuch der Versendung von Postkarten“.
Die erste Postfiliale war schnell gefunden. Die Mitarbeiterin hinter dem Tresen verstand sofort unser Begehren und legte los. Nachdem sie die Anzahl unserer Postkarten bestimmt hatte, verschwand sie für eine Weile. Als sie wieder erschien mussten wir uns erst mal die Augen reiben. Ganze vier Marken plus ein Postwertzeichen wollte die gute Frau auf unsere Karten kleben, in Mangel einer einzigen Briefmarke für das europäische Ausland. Bei den Legeversuchen auf der Postkarte stellte die Dame fest, dass die Versendung keinen Sinn machen würde, außer man wollte einen Briefmarkensatz an einen Philatelisten verschicken. Wir brachen an dieser Stelle ab und entschlossen uns zur Internationalen Filiale der „China Post“ zu gehen.
Wir betraten die Internationale Filiale und legten unsere Karten vor. Die Prozedur startete von vorn. Karten zählen…in der Tiefe des Raumes verschwinden… und Minuten später erschien die Mitarbeiterin mit nur 3 Briefmarken pro Karte wieder am Tresen. Was ein Glück, zumindest eine Marke weniger. Allerdings musste noch ein Stempel auf die Postkarten, ohne dass dieser eine Marke berührt. Die Mitarbeiterin startete ihren Arbeitsablauf und stempelte mal pauschal alle 14 Karten ab. Da sich noch keine Briefmarken auf der Karte befanden, entpuppte sich das als leichte Aufgabe. Dann begannen wieder die Legeübungen mit den Marken. So viel Mühe sie sich auch gab, es passte einfach hinten und vorn nicht, da der Stempel bereits den meisten Platz blockierte. In der Postfrau wuchs die Einsicht, dass doch zunächst geklebt werden muss. Das Klebefässchen mit Pinsel war schnell bei der Hand und los ging es. Zwei Marken oben rechts passten gerade so. Die dritte Marke wurde dann meist an irgendeinen Rand geklebt und der überstehende Teil, meist die Hälfte der Marke, nach vorn umgeklappt. Ihr Meisterstück vollbrachte die umtriebige Postfrau aber mit einer Karte die wir an uns selbst adressiert haben. In China werden Eintrittskarten meist so gestaltet, dass man sie als Postkarte verschicken kann. Wir hatten solch eine Karte der chinesischen Mauer. Schaut euch das Ergebnis einfach mal an – das Foto befindet sich in der Galerie.
Nach reichlich Tagen in Chengdu war es dann endlich soweit. Der Tag unserer Abreise nach Lhasa mit der Tibetbahn war gekommen und wir freuten uns, dass es endlich losging. Mit einer wirklichen Überraschung verabschiedeten sich die Mitarbeiter unseres Hostel bei uns. Wir bekamen einen typischen „deutschen Napfkuchen“ (Gugelhupf) mit auf den Weg. Ob uns dieser Kuchen auch geschmeckt hat, erfahrt ihr in unserem nächsten Bericht über Reise durch Tibet.
Bis dahin alles Gute. Eure zwei Weltreisenden
Angie und Thomas