Location: Perth
Zeitunterschied: +6 Std.
Wetter: traumhaft
„Ihr wandert nach Australien aus? Cool! Und… in welche Stadt soll’s gehen??? „Perth.“ Eine plötzliche Stille kehrte ein und wir fühlten uns wie in einem der „Wild West Filmen“, in denen ein leise säuselnder Wind gerade einen Steppenläufer durch die karge Landschaft blies.
Das Kopfkino lief und Bilder von Koala bis Uluru flogen am geistigen Auge unseres Gesprächspartners vorbei. Nach einer gefühlten Ewigkeit folgte das Erwachen, nicht aber ohne ein bleibendes Fragezeichen im Gesicht. „Perth! Ich dachte ihr geht nach Australien!“ Ja, es stimmt schon. Perth hat irgendwie eine sonderbare Stellung im australischen Kosmos und wird selbst von den „anderen“ Australiern ungefähr so wahrgenommen, wie einst Asterix`s Dorf von den Römern. Perth liegt fernab vom Schuss, mutet ein wenig verschlafen an und folgt gewöhnlich dem Trend nur mühselig und mit gehörigem Abstand. Das mag vor Jahrzehnten noch gestimmt haben, hat sich in der Zwischenzeit aber auch relativiert. Richtig ist jedoch, dass die Leute hier alles etwas ruhiger angehen, als auf der anderen Seite des Kontinents. Ebenso wird dem Westaustralier ein gewisser Starrsinn nachgesagt.
Wie erging es uns nun in den ersten Monaten in der neuen Heimat? Zum Einstieg hatten wir uns noch von Deutschland aus ein richtig schönes Zimmer über Airbnb gebucht, um wenigstens die ersten Tage erstmal ein Dach über dem Kopf zu haben. Dies stellte sich nach unserer Ankunft als wirklicher Volltreffer heraus. Das nette Ehepaar – welches die Räumlichkeiten anbot – kommt zufällig ursprünglich aus Südafrika und ist vor 18 Jahren nach Australien übergesiedelt. Ach ja…, immer diese Parallelen. Wir ließen es in den ersten Tagen vergleichsweise ruhig angehen und erkundeten erstmal die nähere Umgebung der nördlichen Stadtbezirke. Nebenbei erledigten wir auch einen Großteil der Behördengänge und begannen dann nach gut zwei Wochen mit der Arbeitssuche. Zwischenzeitlich mussten wir aufgrund der Belegung nochmal für eine Woche in ein Hostel ziehen bevor wir dann endlich nach drei Wochen eine schöne Wohnung im Osten des Stadtzentrums fanden. Diese Wohnung teilten wir uns mit einem argentinischen Pärchen, um am Anfang erstmal die Kosten zu drücken, da die Mieten hier recht gepfeffert sind. Jeder hat sein eigenes Zimmer – Wohnzimmer und Küche werden geteilt – so ne richtige WG halt. Ein bisschen erstaunt waren wir schon, dass gerade wir unter allen Bewerbern den Zuschlag von den Argentiniern bekamen. Da scheinen wohl doch die Kopfnoten entscheidender zu sein, als die ein oder andere Schmach beim Kick auf der grünen Wiese?
Und dann konnte er starten, der Bewerbungsmarathon. Hier in Western Australia werden dafür schon mal 85 km gelaufen, gern auch mal in einem Labyrinth. Spaß beiseite, aber es gab hier schon Zeiten, wo man einfacher einen Job gefunden hat, doch diese sind leider… oder zum Glück vorbei… so ganz wissen wir das noch nicht. Problem bei der ganzen Bewerberei ist das „Rad der Zeit“, das sich hier extrem langsam dreht. Man schickt eine Bewerbung los und reibt sich verwundert die Augen, wenn Monate später eine Absage rein flattert. Zuverlässigkeit ist ebenfalls ein ganz heikles Stichwort in diesem Zusammenhang, das vor allem die Arbeitsvermittlungsagenturen wie Randstad & Co. nicht ganz so ernst nehmen. Da werden schnell mal liebgemeinte Versprechungen gemacht und vorsätzlich balkenbiegende Unwahrheiten verbreitet bevor am Ende das berühmte „Nichts“ erscheint. Ok, abhacken unter Erfahrungen sammeln. Ganz wichtig in Western Australia ist die persönliche Referenz, am Besten die Westaustralische, da diese glaubwürdiger ist und einfacher kontaktiert werden kann. Ohne diese, wie bei uns, wird es wieder etwas schwieriger, den geeigneten Job zu finden. Und zum Schluss, wer hätte es gedacht, zählen Qualifikationen und im Besonderen – die Westaustralischen. In Puncto Zertifikate und Lizenzen macht ganz Australien wiedermal Asterix Konkurrenz. Wer den Gassenhauer noch nicht erkannt hat, sei an das „Haus das Verrückt macht“ erinnert und im Speziellen den „Passierschein A 38″. Es fehlt eigentlich nur noch das Zertifikat für „Dreck gegen den Wind fegen“ als drei Tages Kurs für 585 $ für Fortgeschrittene mit Berufsarfahrung. Manchmal ist es echt schon albern was der australische Staat hier verlangt und man meint die berühmte Katze setzt zum Biss in den eigenen Schwanz an… aber just in diesen verstimmten Momenten klingelt dann plötzlich wie von Geisterhand das Telefon. Ein gutes Zeichen? Ein sehr gutes Zeichen, denn der Rückrufgott hat ein Einsehen gehabt und „Ostern“ und „Weihnachten“ auf einen Tag fallen lassen. Du bist nun „ein heißer Kandidat“ fand doch deine Bewerbung irgendwie zur rechten Zeit den richtigen Platz. Ich hatte dieses Glück und weiß heute auch warum. Der Standortleiter meines Betriebes fand es lustig, dass ich bei der „German Airforce“ gedient habe und meinte, dieser Mann, also ich, passe gut zu unserem Schichtleiter, unter dem er zu arbeiten habe. Dieser hat nämlich in der südafrikanischen Luftwaffe Dienst geschoben, ebenfalls als Sergeant. Dass mir diese Zeit noch einmal so in die Karten spielen würde??? Was das allerdings alles mit Metalldachfertigung zu tun hat, keine Ahnung. Es ist aber ganz schön hier.
Angie wollte eigentlich ins Krankenhaus zurück oder es zumindest versuchen, scheiterte aber am fehlenden Vitamin B, das in der obigen Auflistung noch fehlte. Sie schwenkte erstmal um und suchte in anderen Bereichen, um den berühmten Fuß in die Tür zu bekommen. Eigentlich macht sie jetzt wieder was sie am besten kann: Menschen rundum glücklich machen, mit ihrem Verständnis für Service, was am Ende in der Schlüsselübergabe des Mietwagens endet.
Warum macht es Spaß hier zu arbeiten? Zwei wichtige Gründe gibt es hierzu anzuführen. Erstens ist jede Arbeit hier angesehen, insbesondere das Handwerk. Zweitens ist der australische Chef stets bemüht die hierarchische Distanz zu seinem Arbeiter so gering wie möglich zu halten. Man „duzt“ sich selbstverständlich und der Chef, wie in meinem Fall, steht auch schon mal an der Maschine und packt mit an. Schön nicht wahr? Zu guter Letzt fällt das Gehalt auch noch recht ordentlich aus, sodass bei einem umsichtigen Lebensstil die Bildung von Rücklagen kein Problem darstellt. Wie an den meisten Orten der Welt gilt aber auch hier: „Ohne Fleiß keinen Preis“.
Was gibt es sonst noch zu berichten? Wir haben uns bereits wieder ein Auto zulegen müssen, der Arbeit wegen. Die Gelegenheit war günstig als mir ein Arbeitskollege erzählte, dass sein Großvater noch ein Mitsubishi Mirage (Colt) habe, diesen aber schon geraume Zeit nicht mehr nutzen würde. Gesagt, getan, gekauft. Und wie in Kapstadt auch, tauften wir unser Gefährt auch dieses Mal. Es ist ein Mädchen geworden: Die Polly.
Zwischenzeitlich, und da seht ihr wiedermal, wie lange ich schon wieder über diesen Zeilen brühte, sind wir in eine eigene Wohnung gezogen. Die Notwendigkeit ergab sich, da der Mietvertrag auslief und unsere Argentinier diesen nicht um ein weiteres Jahr verlängern wollten. Und so wohnen wir jetzt gleich um die Ecke in einem schönen modernen Studio und frönen dem Leben hier. Übrigens auch hier gings nicht ohne… richtig Referenzen. Jeder von uns musste drei private und zwei geschäftliche Fürsprecher benennen, die unseren Leumund bestätigten. Des Weiteren waren zwei Mietreferenzen von Nöten bevor es an den üblichen Papierkram wie Visa, Kontoauszüge und Arbeitsverträge ging. Es ist also nicht nur in Deutschland bürokratisch.
Mal schau‘ n wie es so weiter geht. Es bleibt also wie immer spannend…
Ganz liebe Grüße aus Perth senden euch…
Eure Angie & Thomas