Im verbalen Abseits

Location: Shanghai
Wetter: angenehm warm
Zeitunterschied: + 6 Std.

Shenzhen –  die Nachbarstadt von Hong Kong – stellte eines gleich nach unserer Ankunft klar, hier beginnt eine englischfreie Zone. Das Hostel zu finden war für uns wie immer kein Problem, einzuchecken schon. Mit ihrem hübschen „Just do it“ T-Shirt stand die Angestellte des Hostels hinter der Rezeption und lächelte uns in freudiger Erwartung an.
„Do you speak english?“ Eine gefühlte Ewigkeit zog ins Land, sodass wir uns nach einiger Zeit genötigt sahen, zwei kurze Fragen nachzuschieben: „English…English?“. Nach dem Ausbleiben einer Antwort mussten wir notgedrungen auf Zeichensprache umstellen.


Unser nonverbales „Trivial Pursuite“ mit dem Themenbereich „Reisen und Hotel“ konnte starten. Die Hotelangestellte begann und zeichnete mit ihren Händen ein Rechteck vor ihrem Gesicht in die Luft. Bei uns ratterten die Festplatten …. Buchungsbestätigung…nein, haben wir keine… Rechteck….??? – na klar – der Reisepass ist es, da hätten wir ja gleich drauf kommen können. Eine weitere Frage folgte – die Dame zeigte auf unsere Seiten im Pass und zuckte mit den Schultern. Oh je, was soll das nur bedeuten. Um es einfacher zu machen, tippte sie nun auf einen Stempel und hob die Schultern erneut. Aha, China-Einreisestempel, kurz geblättert und da waren sie. Leider waren diese verwischt, sodass man die Einzelheiten nicht erkennen konnte.
Kurze Erklärung dazu – Die Volksrepublik möchte immer wissen wo sich die ausländischen Schäfchen gerade aufhalten. Daher muss in jedem Hostel ein Formular / Computer mit diesen Daten gefüttert werden.
Um es der Hostelangestellten einfacher zu machen, schrieben wir ihr das heutige Datum und Hong Kong mit einem Pfeil in Richtung Shenzhen auf einen Zettel und reichten diesen hinter den Tresen. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, wiedermal ohne Englisch über die Runden gekommen, entnahmen wir ihrer erleichtert wirkenden Mimik. Nichts da, wir haben Zusatzfragen. Wann ist „Check out“ und wo stehen die Waschmaschinen. Routiniert nahmen wir uns der Sache an und ahmten ein Waschbrett auf unseren nach vorn weggezogenen T-Shirts nach. Zuerst sieben Finger und dann einer der nach Oben zeigte. Ok, alles klar. Mit dem „Check out“ war es dann so eine Sache – sie wusste einfach nicht was wir meinten und wir gingen mal wie immer von 12 Uhr mittags aus. Nach dem etwas schwierigen Einchecken folgte zumindest die Belohnung in Form eines richtig schönen Zimmers.

Unbemerkt von der breiten Weltöffentlichkeit hat sich Shenzhen seit Beginn der achtziger Jahre von einem Fischerdorf mit 30.000 Einwohnern zu einer Megacity mit 12 Millionen Menschen entwickelt. Die Nähe zu Hong Kong sowie die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone sorgten für die rasante ökonomische Entwicklung der Stadt. Eine vollkommen neue Stadt wurde aus dem Boden gestampft, Berge dem Erdboden gleich gemacht und Millionen von Menschen strömten in die Region. Und so präsentierte sich uns auch die Stadt – modern, großzügig angelegt, viele Grünflächen aber irgendwie fehlte ein bisschen das Ambiente. Wir besorgten uns einen Stadtplan und zogen los. Gleich am ersten Abend war uns das Glück hold und wir fanden ein richtig gutes Restaurant. Das hört sich banal, an ist es aber nicht. Ohne Kenntnisse der Sprache ist in den meisten chinesischen Wirtsstuben nur eine „Blindorder“ möglich. Bei den Gerichten die dort teilweise angeboten werden, keine gute Wahl. Des Weiteren sieht man jede Menge Lokale in China in denen man selbst als „Sch…hausfliege“ nicht geboren sein möchte. Aus diesem Angebot hat man dann die Qual der Wahl. Wir freuten uns aber über die zweisprachige Karte, das nette einsprachige Personal, die angenehme Atmosphäre sowie das sehr gute, breit gefächerte Angebot an Speisen.
Das kulturelle Angebot der Stadt ist vielfältig, beschränkt sich aber vorwiegend auf Erlebnis- und Themenparks – sowohl traditionell als auch westlich ausgerichtet. Bei unserem Besuch stellten wir außerdem fest, dass einige Ausflugsziele noch nicht fertig gestellt aber schon in der Touristenkarte verzeichnet waren. Wir fanden uns nämlich mehrmals auf Baustellen wieder und ernteten komische Blicke vom örtlichen Baupersonal. Grund dafür dürften die Olympischen Spiele der Studenten gewesen sein, welche mit unserer Ankunft ausklangen. Da hing man wohl den Planungen etwas hinterher.

Nächstes Highlight unseres Aufenthaltes war der zweitägige Versuch Tickets für die Weiterreise zu kaufen. Wie immer ein rein verbales Problem. Neben unserem ersten Kontrahenten, der chinesischen Sprache, gesellte sich noch Widersacher Nummer 2 hinzu, das Ende der Ferien. Wir waren kurz davor Flugtickets zu buchen was uns jede Menge Geld gekostet hätte. Aber dann erschien beim letzten Versuch am Ticketschalter unser Engel: „David FU“ und plötzlich war alles ganz einfach. Fünf Minuten Fußmarsch, Tickets kaufen, kurze Erklärung bezüglich „Wann, Wie, Wo“ und die Ticketodyssee war Geschichte. Wir waren erleichtert. Am nächsten Abend ging es dann für uns weiter nach Xiamen mit einem Premium VIP Bus, welcher sich auch als das herausstellte was er vorgab zu sein. Ein großer Dank gilt unserem Retter.

6 Uhr morgens in Xiamen und wieder einmal konnten wir uns die wichtigste Frage nicht beantworten. Wo befanden wir uns gerade in dieser Stadt? Orientierungshilfen sind gefragt, vor allem im Halbschlaf, der uns noch ins Gesicht geschrieben stand. Das chinesische Luxushotel vor unserer Nase bot die Gelegenheit diesbezüglich eine Frage an den Mann oder die Frau zu bringen. Und zu unserem Erstaunen wurde sie auch zu unserer vollsten Zufriedenheit beantwortet. Die englisch sprechende Dame an der Rezeption schrieb uns dann einen „Muttizettel“  für den Taxifahrer, damit dieser uns zur Fähre fährt, welche uns das kurze Stück zur Insel „Gulangyu“ übersetzen sollte.
Die Insel wird als wunderschönes Idyll im Reiseführer beschrieben. Bei unserer ersten Überfahrt am frühen Morgen konnten wir diesen Eindruck aus einiger Entfernung bestätigen. Zwei Stunden später, nachdem wir unser Hostel bezogen hatten, und wieder in Richtung Fähre liefen, muss uns irgendjemand auf eine andere Insel „gebeamt“ haben. Horden von chinesischen Touristen bahnten sich den Weg vom Fähranleger auf die Insel. Vorne weg meist ein Guide mit der Fahne und dahinter die lautstarke „Rasselbande“. Wir ergriffen sofort die Flucht ans Festland. Und wenn man mal schlechte Laune hat, wird’s dann meist auch nicht besser. Auch die Stadt präsentierte sich dann als etwas „zwischen Nichts und Garnichts“. Es passte einfach nicht vom ersten Augenblick an. Unsere Bemühungen richteten sich daher auf eine schnellstmögliche Weiterreise aus. Wo wir wieder beim heutigen Thema wären. Trotz Halbschlaf am Morgen hatten wir neben dem Hotel eine Reiseagentur gesichtet, welche auch in englischer Sprache für den Bahnticketkauf warb. Schnell setzte jedoch wieder Ernüchterung bei uns ein. Wir verstanden nur „Bahnhof“. Aber halt, nebenan arbeitet doch die englischsprechende Dame von der Rezeption. Wir trafen sie zum Glück nochmal an und konnten unser Glück kaum fassen. Sie begleitete uns zur Agentur und regelte alles. Einziges Problem – die Tickets waren uns zu teuer, da man gut 30 % Gebühren draufschlug. Was nun? Muttizettel Nr.2 musste her. Netterweise schrieb uns die freundliche Dame nochmal alles auf einen Zettel, mit dem wir dann zum Bahnhof fuhren, um dort unser Glück zu versuchen. Dort angekommen konnten wir unseren Augen kaum glauben – dort standen Ticketautomaten. Wir konnten am Automaten zwar nichts kaufen, da wir keinen chinesischen Ausweis haben, aber zumindest konnten wir den passenden Zug in englischer Sprache suchen. Fünf Minuten später war alles am Schalter erledigt und wir glücklich.

Am nächsten Tag hätten wir fast doch noch unser „Waterloo“ erlebt. Nachdem wir den ganzen Tag auf dem Festland verbrachten, fiel Thomas am Abend ein chinesisches Schild an der Fähre auf. Das einzige was wir lesen konnten, waren ein paar Zahlen. Da uns niemand Auskunft geben konnte, machten wir mal vorsichtshalber ein Foto, um im Hostel nachfragen zu können. Die Übersetzung dort führte dazu, dass wir innerhalb von 10 Minuten unsere Sachen packten und auscheckten. Der Inhalt war nämlich folgender: Heute Nacht zieht ein Taifun auf. Daher fährt die Fähre Morgen nicht. Letzte Fähre bis auf weiteres heute Abend 10 Uhr. Da unser Zug am nächsten Morgen um 9 Uhr abfuhr, mussten wir unbedingt ans Festland zurück. Bei Nacht und Regen fanden wir dann auch noch ein neues Hostel und zogen in dieses kurzfristig um.

Etwas surreal wirkte der riesige neue Nordbahnhof von Xiamen schon auf uns. Beim Ticketkauf am innerstädtischen Hauptbahnhof konnte man sich vor Menschen kaum retten, hier wären wir froh gewesen, mal wenigstens einen zu sehen. Nach dem üblichen Durchleuchten des Gepäcks machten wir es uns in der „Wartehaaaalle“ bequem. Heute standen für uns gut 7 Stunden Schnellzug auf dem Programm. Der Name des modernen Zuges ist „Dynamic“, ein D-Zug und die zweitschnellste Zugklasse Chinas mit Tempo 250. Das Ziel der Fahrt sollte Hangzhou, vor den Toren Shanghais sein – war es dann auch.

Hangzhou ist ein ganz nettes Städtchen mit um die sechs Millionen Einwohner und stellt eine der Wiegen chinesischer Zivilisation sowie den Hauptumschlagplatz für Seide im Land dar. Ebenfalls stammt der bekannteste grüne Tee des Landes aus den Feldern rund um Hangzhou. Hauptattraktion und somit auch Anziehungspunkt für tausende Touristen jährlich ist aber der malerisch gelegene „West Lake“ mit seinen Pagoden, welche seit kurzem auch zum UNESCO Weltkulturerbe gehören.
Wir ließen es wie so oft in letzter Zeit gemütlich angehen. Spaziergänge am See wechselten sich mit kleinen Ausflügen in die Stadt ab. Einen Besuch statteten wir dabei auch dem etwas außerhalb gelegenen Teemuseum ab. Wunderschön zwischen den Teefeldern gelegen wohnten wir dort einer Verkostung bei und waren recht erstaunt, nach „Was“ Tee so alles schmecken kann. Ansonsten verliefen die Tage ruhig und zu unserem Glück stellte sich der Kauf der Schnellzugstickets nach Shanghai als unproblematisch heraus – wir konnten nämlich kommunizieren am Schalter – in Englisch.

Ganz liebe Grüße von euren zwei Weltreisenden

Angie & Thomas

PS:  In Punkto Haarfarbe ist übrigens alles beim Alten.

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