Location: Kapstadt
Wetter: Frühlingswetter mitten im Winter
Zeitunterschied: keiner derzeit
Wer in Erinnerungen schwelgt und an seine Kindheit zurück denkt, wird sich unweigerlich fragen, wie schnell doch die Zeit seitdem vergangen ist. Wo sich mit Schuhgröße 32 noch Tage und Wochen bis zum nächsten Geburtstag quälend hinzogen, überschlagen sich ab einem gewissen Alter die Jahre förmlich. „Wir haben doch gerade erst…“ oder „Ist schon wieder ein Jahr rum?“ sind dann meist die geflügelten Worte der Erkenntnis, dass unsere Zeit schneller voranschreitet als es uns lieb ist.
Im Kontext dieser Einsicht sollten wir uns daher stets die Endlichkeit unseres irdischen Daseins ins Gedächtnis rufen und trotz aller Zwänge und Verpflichtungen des heutigen Lebens das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren – Die Verwirklichung des Glücksbegriffes nach eigener Definition.
Es sind schon wieder fast genau vier Monate her seitdem wir Südafrika erreichten. Viel hat sich seitdem getan und beim Blick zurück kommt uns der Zeitraum eher wie ein Jahr vor. Aller Anfang ist bekanntlich schwer und nicht selten mit Stolpersteinen gepflastert. Und so hatten auch wir mit den üblichen Startproblemen in Südafrika zu kämpfen. Drei Hauptaufgaben standen zunächst auf unserer Agenda – Wohnung, Arbeit und Auto.
Unser erstes Augenmerk galt der Wohnraumbeschaffung. Die Preise in Kapstadt haben seit der Fußballweltmeisterschaft 2010 kräftig angezogen und so waren wir auch nicht sonderlich verwundert, dass so manche „Bruchbude“ in zentraler Lage stolze 350 € umgerechnet kostet. Natürlich kann man sich auch etwas außerhalb von Kapstadt umschauen und wird dort bestimmt adäquate Objekte finden, muss dann aber wieder an das Transportproblem denken, denn ohne Auto geht hier gar nichts. Beim achten Anlauf war uns dann das Glück hold und wir fanden mit „Nannette“ eine super „Landlady“ (so darf man sich als Vermieter auf Englisch nennen) mit einer ebenso guten Wohnung. Zentrale Lage, Balkon und komplett ausgestattet – einmal im Monat kommt die Putzfrau zur Grundreinigung, Sicherheitsdienst, Tiefgarage, schöner Garten mit Pool – besser geht’s nicht. Nur kurz als Anmerkung, komplett ausgestattet heißt hier vom Eierbecher über das Bügeleisen bis zur Bettwäsche ist alles vorhanden. Das einzige Extra stellt der Strom dar. Den beziehen wir über den örtlichen Supermarkt namens „SPAR“ wo er in handlichen Büchsen zu je 10 kW/h erhältlich ist. Ok, Spaß beiseite, das mit den Büchsen stimmt so nicht. Es handelt sich vielmehr um „Prepaidstrom“. Man gibt im Supermarkt seine Anschlussnummer an, ähnlich wie beim Mobiltelefon, und bekommt einen Voucher mit Code für z.B. 50 kW/h. Diesen Code tippt man dann in ein Gerät zu Hause ein und schon geht das Licht an. Einzig der Zählerstand muss regelmäßig kontrolliert werden, um nicht eines Abends beim zwar romantischen aber nicht ganz so alltagstauglichen Kerzenlicht sitzen zu müssen.
Eine wahre Odyssee erlebten wir beim Lieblingsthema vieler deutscher Männer – ihrem besten Stück – dem Auto. Für die samstäglichen Putz- und Pflegeaktionen der Germanen hat der Südafrikaner nur ein müdes Lächeln übrig, behandelt er doch sein Vehikel eher „stiefmütterlich“. Ein Gebrauchsgegenstand wie das Auto benötigt keinerlei Pflege, könnte man meinen, wenn man sich die Fahrzeuge hierzulande anschaut. Selbst neue Karossen weisen bereits jede Menge Gebrauchsspuren in Form von Dellen und Kratzern auf, um die sich aber die Wenigsten scheren.
Im völligen Gegensatz dazu stehen die Preise für so manche „Rostlaube“. Wo man in Deutschland noch einen feuchten Händedruck und ein Freundschaftsbier des „Schrotthändlers“ als Dankschön erhält, rollen in Südafrika für gewöhnlich noch jede Menge „Rubel“ über den Tisch. Wir waren also vorgewarnt. Autokauf ist ja Vertrauenssache, wie es so schön heißt. Nachdem wir mehrere Male die einschlägigen Händler abgegrast hatten, stand fest, dass wir hier kein Auto zu unseren Konditionen bekommen werden. Uns blieb nur noch der Privatmarkt den wir fortan im Internet genauer unter die Lupe nahmen. Und siehe da nach gut 3 Wochen konnten wir unser Kaufinteresse verdichten und schossen uns auf einen VW Polo Classic ein, ein Modell für das wir in Deutschland wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln übrig gehabt hätten. Nachdem unsere Werkstatt des Vertrauens grünes Licht gegeben hatte griffen wir beherzt zu, da uns sowohl der technische Zustand als auch die Ausstattung überzeugten. Bis einschließlich heute haben wir den Kauf noch nicht bereut.
Wenn die Zahlen im Habenbereich auf dem Konto schrumpfen und alle anderen Reserven aufgebraucht sind, ruhen die letzten Hoffnungen auf monetären Zuwachs für gewöhnlich auf den wöchentlichen Ziehungen 6 aus 49 oder ehrlicher Arbeit. Da die Wahrscheinlichkeit durch Arbeiten zum „nötigen“ Geld zu gelangen bei weitem höher einzuschätzen ist als die Spekulation auf einen ausreichenden Lottogewinn, lag es für uns nur nah, sich nach geeigneten Tätigkeiten umzuschauen. Und wo man neu und unerfahren ist, nimmt man auch gern Hilfe von erfahrenen Spezialisten bei der Suche in Anspruch – „Kopfjäger“- nennen sich diese Fachleute. Aber keine Angst, sie arbeiten nicht nach dem Motto „Du kannst gehen, aber deine Kopfhaut bleib hier“. In Deutschland spricht man übrigens von Arbeitsvermittlern oder benutzt ebenfalls den englischen Begriff des „Headhunters“, was sich natürlich wesentlich besser und auch professioneller anhört. Das Geschäftsmodell ist dabei so einfach wie schlicht und basierend vorwiegend auf „Vitamin B“. Man kennt und schätzt sich, wobei die Firma XY nach passendem Personal sucht und der Headhunter dabei behilflich ist, welches zu finden. Wenn das gelingt gibt’s Kohle für den „Finder“ und wenn man sehr selten und vielleicht noch begabt ist, klingelt auch der eigene Geldbeutel. Wir wurden durch zwei wirklich nette Mädels einer in Kapstadt ansässigen Agentur vermittelt und können uns im Nachhinein immer wieder nur für ihre super Arbeit bedanken.
Für die Vermittlung von Angie gab`s schon 2 Wochen nach unserem Eintreffen in Kapstadt „Kohle“, passte sie doch perfekt zu einem, in Deutschland würde man wohl sagen „weltweit agierendes Mittelständisches Unternehmen aus der Kommunikationsbranche“. Der Satz ist etwa genauso aussagekräftig und hochtrabend formuliert wie „Facility Management“ wenn man damit den Hausmeister meint. Bleiben wir mal bei den Fakten, jedoch nicht ohne zuvor einige allgemeine Anmerkungen zu formulieren. Möchte man in Südafrika neu starten, sollte man bedenken, dass Neuankömmlinge nur eine Arbeitserlaubnis für Jobs bekommen, die nicht durch Südafrikaner besetzt werden können. Soll heißen dass es auf ein Alleinstellungsmerkmal ankommt, in den meisten Fällen ist das die Sprache. Im Umkehrschluss bedeutet das „Chef sein- is erst mal nich“. Möchte man mehr, muss man die Stationen einer Kariere durchlaufen bis man irgendwann die Daueraufenthaltsgenehmigung erhält und damit bei der Jobsuche flexibler ist. Deutschsprechendes Personal wird in Kapstadt relativ oft gesucht, da sich ein paar Kundencenter namhafter Unternehmen hier vor Ort befinden. Ja, wir stehen dazu – wir helfen Menschen mit Problemen. Während sich meine Tätigkeit um Beseitigung von Problemen Rund um Bestellung von Warenlieferungen eines riesigen und sehr bekannten Onlinekaufhauses mit Stammsitz in Seattle dreht (obwohl man im ersten Moment auch meinen könnte, es stamme eher aus Brasilien), löst Angie Probleme von spielbegeisterten Menschen zwischen 18 und 87 Jahren. Wir machen also nichts anderes als in unserem Leben zuvor. Haut der Opa aus dem Altersheim ab – hatte ich ein Problem zu lösen – Opa einfangen und zurückbringen. Klagt die Firma „Celusio“ über eine schlechte Organisationsstruktur – hatte Angie ein Problem, was sie zu lösen hatte. Und da wir daran schon immer gefallen hatten, bleiben wir auch hier unserer Arbeit treu und lösen fleißig Probleme. Etwas ist jedoch ein bisschen anders als in Deutschland, nach acht Stunden ist Schluss mit arbeiten, wirklich… so richtig, …. ohne Anrufe und emails nach Hause, ja… auch am Wochenende. Dafür gibt’s aber auch weniger Geld, was aber kein wirkliches Problem darstellt, denn man hat hier wenigstens die Zeit, das was man bekommt auch auszugeben. Mehr zum Thema „Arbeiten“ gibt’s dann im nächsten Bericht „Die Korrekturen“.
Neben all den Pflichten die uns beschäftigten, wollen wir aber auch nicht die angenehme Seite der Medaille hinter dem Berg halten. Der Großraum Kapstadt hält für die Freizeitgestaltung jede Menge Möglichkeiten bereit, wie wäre sonst der alljährliche Ansturm von Touristen zu erklären. Vom Wandern in „Natur pur“ geht es weiter mit Kultur, Geschichte, Shopping oder Beachen und Sport,… man kann natürlich auch einfach mal die Beine bei einem gepflegten Glas Wein auf einem der zahlreichen Weingüter hängen lassen. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, einzig beim Motto sind sich alle einig – „Genuss steht vor Verdruss“.
Mit der angeborenen deutschen Arbeitsmoral ist diese Lebenseinstellung natürlich nur schwer zu vereinbaren und so bemühen wir uns seitdem zumindest das Eine mit dem Anderen so zu verbinden, dass beide in friedlicher Koexistenz miteinander leben können. Einfach gesagt: „Wir tun etwas, ohne dass Stress aufkommt.
Da auch bei den Freizeitaktivitäten aller Anfang schwer und das Angebot riesig ist, verließen wir uns zunächst auf die Hinweise netter Menschen wie unseres Freundes Lutz oder unserer „Landlady“ Nannette. Sie schlug uns dann auch einen netten Ausflug über Ostern vor, dem wir uns als „Backpacker“ nicht verschließen konnten. Campen im Grünen. Nebenbei bot uns dies die Möglichkeit, unsere über Weihnachten in Deutschland neu erworbenen Campingutensilien zu testen.
Irgendwie meinte ich mich noch zu erinnern, dass Nannette erwähnt hatte, dass es für gewöhnlich jedes Jahr Ostern regnet. Egal, Gründonnerstag brachen wir in Richtung Norden auf. Die gut dreistündige Autofahrt verlief genau 2 ½ Stunden völlig problemlos. Danach war Schluss mit lustig. Auf der Wegbeschreibung im Internet hatte auch so etwas komisch Formuliertes gestanden, „das mit dem Weg zum Zeltplatz sei alles kein Problem, man solle halt nicht mit dem Porsche kommen“. Ich fasse es mal mit diplomatischen Augen zusammen. Die letzten Meter hinab zum Zeltplatz mussten über eine unbefestigte, recht holprige und verwundene Strecke talwärts gemeistert werden. Für jedes Geländefahrzeug sollte das kein größeres Problem darstellen,… „hama aber nie“. Wir mussten unser „gutes Stück“ letztendlich im „Schneckentempo“ den Berg hinab führen und dachten so bei uns, ob wir die einzigen „Idioten“ wären die zu diesem Zeltplatz mit einem stinknormalen PKW anreisten. Unten angekommen konnten wir jedoch recht schnell feststellen, dass geschätzte 60 % der Besucher ihre nicht geländetauglichen Fahrzeuge ebenfalls hier runter geknüppelt hatten. Ich würde im Nachhinein mal behaupten wollen, dass dieser Zeltplatz in Deutschland keine motorisierten Besucher hätte. Da uns die Wahl des Platzes an dem wir schlafen wollten nicht egal war, verbrachten wir zunächst einige Zeit mit der Suche eines geeigneten Fleckens. Wieder klangen dabei die Worte in meinen Ohren… „Ostern… Regen“. Ein bisschen abschüssig aber nicht zu viel, liegt sich sonst blöd. Zu guter Letzt noch der obligatorische Graben ums Zelt. Unser Nachbar belächelt mich ein bisschen, als ich so schwitzend in der Sonne schaufelte. Naja, ich grüßte trotzdem nett rüber meinte nur „Aaahoi“.
Den gesamten restlichen Tag waren wir dann mit der Leerung der von uns mitgebrachten Flaschen beschäftigt, bevor wir am Abend einen „Braai“ machten, dem Grillen auf südafrikanisch. Und so genossen wir bei sommerlichen Temperaturen unseren ersten Tag beim Zelten. Über die restlichen drei Tage gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Es regnete am Freitag, am Samstag und auch am Sonntag. Bald befanden wir uns fast allein auf dem Zeltplatz, da alle anderen aufgegeben hatten und nach Hause fuhren. Auch unsere Nachbarn mussten erkennen, dass gegen die einfache Physik auf Erden kein Kraut gewachsen ist. Senke und Wasser ergibt halt See… irgendwann. Na denn… Aaahoi Meister. Uns reichte es aber am Sonntag dann auch. Wenn man nicht draußen sitzen kann. macht das Zelten irgendwie keinen richtigen Spaß. Und so war es nur folgerichtig im Ablauf der Dinge, dass nachdem alles verpackt und verstaut und unser Auto dem Tal entronnen war, die Wolken aufrissen und die Sonne hindurch kam. Es regnet hier also immer Ostern, solange man ein Zelt aufgestellt hat.
Im April / Mai konnten wir auch schon unseren ersten Besuch aus der Heimat begrüßen. Hansi und Evi besuchten uns hier in Kapstadt für drei Wochen. Wir haben diese Zeit ausreichend bebildert im Anhang aufgeführt und wollen nur noch kurz eine… naja im Nachhinein lustige Geschichte erzählen.
Der Hochzeitstag, ein Tag den man nie vergessen sollte und an dem natürlich irgendetwas Besonderes auf dem Programm zu stehen hat. Dieser Tag jährte sich bei Hansi und Evi zum 35. Mal während ihres Besuches bei uns – ein optimaler Grund mal ordentlich Essen zu gehen. Unter den wirklich zahlreichen Gourmettempeln der kapstädter „Waterfront“ wählten wir einen netten Italiener aus und genossen“Speis und Trank“ in vollen Zügen. Auch Hansi hielt sich beim Essen nicht zurück und verschlang das Stück Kalb mit „Haut und Haar“. Die Folgen dieses Abends setzen nicht wie gewöhnlich Nachtens ein sondern erst am nächsten Tag. Da allerdings nicht in Form einer blitzartigen Entleerung,… nein schleichend überkam das Unheil ihn. Es begann mit roten Pusteln am ganzen Körper. Wir rätselten noch zwischen Bettwanzen und irgendeinem Ausschlag… oh nein. Am nächsten Abend schwoll das Gesicht an und Hansi hatte im wahrsten Sinne des Wortes eine „dicke Lippe“, unter anderem. Nachdem der Familienrat getagt hatte, führte kein Weg mehr an einem Arztbesuch vorbei. Der Herr Doktor im Krankenhaus konnte über diesen Fall nur müde lächeln – „Lebensmittelallergie – haben wir jeden Tag drei, vier Mal hier“, hieß es. Bloß gut nichts Schlimmeres. Am nächsten Morgen sah Hansi dann wieder wie Hansi aus und nicht wie ein Rummelboxer.
Bevor es nun richtig losgehen konnte, stand für mich noch eine Reise auf dem Programm und zwar nach Deutschland zurück. Die Gründe für die etwas unplanmäßige Tour sind in der neuen Visa-Politik Südafrikas zu finden. Die eine Firma, wie in Angies Fall, beantragt für die ausländischen Mitarbeiter das Arbeitsvisum vor Ort, andere Firmen schicken ihre Zukünftigen noch mal in die Heimat zurück. Neben der Beantragung des Visums blieb mir dabei natürlich auch jede Menge Zeit, die Heimat unter die Lupe zu nehmen sowie Familie und alte Freunde zu besuchen. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass die 21 Tage zu Hause wie im Fluge vergingen und eh ich mich richtig versah war ich auch schon wieder da und wir konnten… „Losleben“.
Wir bleiben am Ball – versprochen. Nachdem alles Organisatorische erledigt ist, werden wir uns nun wieder häufiger mit kleineren Beiträgen zu Wort melden. Wir hoffen ihr bleibt uns auch weiterhin als treue Leser erhalten und habt ein wenig Freude unser Leben hier zu verfolgen. In diesem Sinne eine schöne Zeit für euch alle…
Viele Grüße vom Ende Afrikas
Angie & Thomas
In der Bildergalerie haben wir noch ein paar Bilder aus der „Alten Heimat“ hinzugefügt. Wer genauso selten wie wir nach Hause kommt, kann vielleicht mal einen kleinen Eindruck gewinnen, wie es so zu Hause aussieht.
Anmerkung: Die Firma Celusio ist ein Phantasiename. „German Placement“ hingegen würde sich freuen, euch bei Jobsuche in Kapstadt zu unterstützen.